Die altbekannten Vending-Maschinen und Kiosk-Lösungen trumpfen mit neu verbauter Technik auf: Dank Robotik sowie smarter Bestell- und Bezahlsysteme sind die Verkaufsautomaten so „schick“ wie nie zuvor. Sie zahlen auf den Trend zum flexiblen kassenlosen Einkauf ein – unbemannt, rund um die Uhr, Tag und Nacht.
Das Interesse an automatisierten ShopKonzepten ist heute so groß wie nie. Der Handel tüftelt an diversen smarten Kleinflächenformaten – auf der Suche nach Lösungen, die den Einkauf bequemer und schneller machen, Kassenschlangen und Kundenfrust vermeiden, Personalkosten sparen und die Ladenöffnungszeiten verlängern – Stichwort 24/7. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie wirkt wie ein Digitalisierungs- und Automatisierungsbooster. Kontakte minimieren und Stoßzeiten entzerren sind die Gebote der Stunde.
All das vereint ein Handelsformat, das erst einmal wenig innovativ daherkommt: Verkaufsautomaten und verwandte Systeme. Die Innovationskraft der aktuellen Vending-Maschinen und Kiosk-Lösungen liegt eher im Verborgenen, in der verbauten Technik. App-gesteuerte Bestellung, bargeld- und kontaktlose Bezahlung, die Vernetzung mehrerer Geräte sowie moderne Intralogistik-Robotersysteme sind Kennzeichen für diese intelligenten, hochgerüsteten und durchdigitalisierten Automaten. Welche strategischen Ziele verfolgen Unternehmen wie Edeka, die SchwarzGruppe (Lidl, Kaufland), Bünting und Migros, die mit solchen Systemen experimentieren?
Ihnen geht es in erster Linie darum, auf der Höhe der Zeit zu sein und nicht den Anschluss an die neuesten Technikentwicklungen zu verpassen. Aber auch um Mehrumsatz durch die Ausweitung und Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten, die Nahversorgung in hochfrequenten City-Lagen oder, ganz im Gegenteil, in strukturschwachen, ländlichen Regionen sowie um Einsparungen bei Personalkosten und Ladenmieten. Ihr Vorteil gegenüber technologisch komplexeren Lösungen wie autonomen Stores à la Amazon Go sind „die schnelle und flexible Installation sowie ein schnellerer Return on Investment“, erläutert Ulrich Spaan, Tech-Experte und Mitglied der Geschäftsleitung des EHI Retail Institute.
Variante eins: Container
Stephan Rüschen, Professor für Lebensmittelhandel an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Heilbronn, unterscheidet drei Varianten automatisierter Boxen. Automatisierte Boxen sind – anders als klassische Supermärkte und Convenience-Stores – nicht begehbar. Statt in Regalen wird die Ware hinter einer Glasscheibe oder auf einem Display präsentiert.
Die erste Variante automatisierter Boxen sind gemäß Rüschens Klassifizierung Container mit automatischer Kommissionierung, also mit Logistikrobotern, welche die per Smartphone-App oder Touchscreen georderte Ware in einem angeschlossenen Mini-Hochregallager mithilfe von Greifarmen picken und zu einem Ausgabefach befördern. Der Vorteil ist, so Rüschen, dass bis zu 2.000 Produkte gelagert werden können. Beispiele sind der E 24/7 der Edeka-Region Südwest in Kooperation mit der Deutschen Bahn, die Collectbox der Schwarz-Gruppe, Combi 24/7 von Bünting, Pickme von Migros, Typy und Latebird.
Das Format scheint sich langsam zu etablieren: Noch in diesem Frühjahr will Edeka Südwest eine zweite Automaten-Filiale eröffnen. Migros wiederum ist derzeit dabei, seinen Convenience-Container zu optimieren, an einem neuen Standort aufzubauen und das Sortiment zu vergrößern. „Logistikroboter, wie sie in den 24/7-Stores zum Einsatz kommen, haben gute Chancen“, ist sich Wolfgang Gruschwitz, Geschäftsführer der Münchner Retail-Design-Agentur Gruschwitz, sicher. Zum einen gebe es in den Industrieländern immer weniger Personal, das nur Lager- und Räumarbeiten übernehmen möchte. Zum anderen sei ein Logistikroboter dem Menschen in vielerlei Hinsicht überlegen: Es gebe beispielsweise keine Begrenzung durch Betriebs- oder Arbeitszeiten und es fielen nur Wartungs- und Programmierungskosten an.
Variante zwei: Automaten-Shops
Variante zwei sind Rüschen zufolge die sogenannten Automaten-Shops. Sie sind quasi eine Ansammlung mehrerer Verkaufsautomaten unter einem Dach. Auch hier gibt es inzwischen smarte, vernetzte Lösungen, die ein Mit- statt ein Nebeneinander der Maschinen ermöglichen. Beispiele sind Herr Anton, der Marktplatz Twenty 47 und Flavura 24/7. Der Marktplatz Twenty 47 in Freiburg besteht inzwischen aus 25 Vending-Automaten. Dank einer „One-Click“-Smartphone-App können Kundinnen und Kunden ab dem Frühjahr in einem Rutsch bezahlen, statt an jedem Automaten einzeln.
Variante drei: Traditionelle Automaten
Traditionelle Automaten sind die dritte Ausprägung automatisierter Boxen. Der Regiomat, die Regiobox und Aldis Aldimat sind Vertreter dieser Gattung. Direktvermarkter wie Bauernhöfe nutzen diese Klassiker bereits seit Jahren, um ein überschaubares Warenangebot zu verkaufen, etwa Milch, Eier und Butter. Vending-Maschinen und Convenience-Container sind sicherlich kein „Hightech-Hochreck“ wie Amazon Go und Co., bei denen der Einkauf dank künstlicher Intelligenz vollautomatisiert sowie naht- und reibungslos vonstattengeht.
Sie bieten kein Shopping-Erlebnis und offerieren nur ein begrenztes Sortiment. Dennoch haben sie ihre Vorzüge im Nebeneinander kassenloser Formate: Sie sind komplett unbemannt, ermöglichen Shopping zu wirklich jeder Tages- und Nachtzeit, haben eine relativ geringe Diebstahlquote und keine Datenschutzprobleme.
Der Beitrag wurde von Silvia Flier verfasst.
Mit freundlicher Genehmigung von stores+shops