Frank Horst ist Projektleiter der EHI Self-Checkout-Initiative beim EHI Retail Institute. Im Interview mit dem Mittelstand-Digital Zentrum Handel erläutert er, wie sich das Thema Self-Checkout in Zukunft entwickelt und gibt kleinen Handelsunternehmen praktische Tipps mit auf den Weg.
Setzt sich der Self-Checkout bei den kleineren Händler:innen durch?
Self-Checkout-Systeme setzen sich derzeit vor allem bei größeren filialisierten Unternehmen durch. Branchenspezifisch werden sie vor allem im Lebensmittelhandel, in Baumärkten und mittlerweile auch in Drogeriemärkten eingesetzt. Allesamt Branchen, in denen sich häufig Warteschlangen an den Kassen bilden. Im mittelständischen Fachhandel haben sich SCO-Systeme noch nicht durchgesetzt. Es gibt jedoch erste Versuche bei Facheinzelhändlern, SCO-Kassen speziell für das Saisongeschäft einzusetzen oder Personal in Stoßzeiten zu entlasten. Also zum Beispiel im Weihnachtsgeschäft, vor Ostern oder vor anderen Ereignissen, die zu hohem Kundenandrang führen.
Wie können die kleinen Händler:innen von der Implementierung eines Self-Checkouts profitieren?
Grundsätzlich geht es beim Self-Checkout darum, der Kundschaft und/oder den Händler:innen Vorteile zu bieten. Für die Kundschaft gilt es primär Wartezeiten zu verkürzen und für die Händler:innen darum, das vorhandene Personal zu entlasten. Wenn keine Probleme mit der Kundenfrequenz entstehen, bietet eine SB-Kasse auch wenig Nutzen. Es sei denn, es geht darum, gezielt technikaffine Kund:innen anzusprechen. Hierzu kann eine mobile Lösung, beispielsweise per App, in Frage kommen. Grundlegend sind aber immer zumindest temporäre Warteschlangen an den Kassen die beste Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von Self-Checkout. Generell nutzen Kund:innen Self-Checkout-Angebote häufiger, wenn ihr Einkaufsrhythmus in einem Geschäft hoch ist.
Wie sicher sind Self-Checkout-Systeme? Ist die Sorge um steigende Betrugs- und Diebstahlzahlen berechtigt? Wenn ja, wie kann dem entgegengewirkt werden?
Das hängt vom Self-Checkout-System ab. Es gibt einerseits stationäre Selbstbedienungskassen und andererseits mobile Systeme, die entweder per Handscanner, per Einkaufswagen oder per App bedient werden. An Selbstbedienungskassen sind Diebstähle und Betrugsversuche gut eindämmbar, primär durch die Aufmerksamkeit des Personals. Gewichtskontrollen mittels integrierter Waage sind oft Praxis im Lebensmittelhandel. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den SCO-Bereich präventiv mit Kamerasystemen auszustatten, als Unterstützung für das Personal und zur Dokumentation. Ergänzend können Kundenmonitore installiert werden, damit die restliche Kundschaft sehen kann, was an der SB-Kasse geschieht. Ausgangssperren als psychologische Barriere verhindern den Kundenausgang ohne Kassenbon. Empfehlenswert ist es auch, immer Personal an SB-Kassen für Hilfestellungen, Alterskontrollen und Diebstahlsprophylaxe einzusetzen. Sichtbares Personal wird von der Kundschaft als Kundenservice wahrgenommen und erhöht für potenzielle Diebe die Hemmschwelle. Bei Selbstbedienungskassen gibt es also sehr gute Möglichkeiten, Diebstähle einzudämmen.
Schwieriger ist die Diebstahlsvermeidung bei mobilen Systemen. Da die Ware im Verkaufsraum gescannt wird, sind Betrugsversuche viel schwieriger zu beobachten, wenn es zu Diebstählen kommt. Die Gestaltung des Checkouts und die Art der Kontrollen, zufalls- und/oder ereignisbasiert, sind maßgeblich für die Diebstahlprävention. In-App-Zahlungen sind zwar kundenfreundlich, bieten aber nur wenig Überwachungsmöglichkeiten. Zahlungen an bedienten Kassen oder an speziellen SCO-Kassen sind daher vorzuziehen. Checkouts ohne Mitarbeiterkontakt sind aus meiner Sicht etwas problematischer. Mittlerweile ist es aber auch möglich, Betrugsversuche mittels künstlicher Intelligenz zu erkennen. Ungewöhnliche Verhaltensmuster, die auf einen Ladendiebstahl hindeuten, können erkannt werden und per Alarmmeldung das Personal dazu auffordern, entsprechende Kontrollen durchzuführen.
Der Self-Checkout ist vielleicht nicht für alle Händler:innen geeignet. Gibt es technische Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen?
Die wesentliche organisatorische Voraussetzung ist, dass alle Produkte im Sortiment scanbar sind. Wir haben heute immer wieder Probleme mit der Lesbarkeit oder wenn Produkte nicht etikettiert sind. Dazu sind Lösungen erforderlich, die auch lose Artikel, strichcodefreie Artikel, Gewichtsartikel und dergleichen für die Kundschaft scanbar macht. Das ist aber nur ein organisatorisches Problem. Technisch gesehen müssen das Kassensystem gut „gepflegt“ sein und alle Schnittstellen zu Zahlungssystemen und Warenwirtschaft existieren.
Das Thema Self-Scanning hat zunehmende Relevanz für den Handel. Beim Self-Scanning werden die Artikel im Laufe des Einkaufs mit Hilfe eines mobilen Endgeräts von der Kundschaft gescannt. Beim herkömmlichen Self-Checkout scannen und bezahlt die Kundschaft eigenständig an einer Kasse. Welche Methode wird sich langfristig durchsetzen?
Beide Systeme sind auf unterschiedliche Einkaufskorbgrößen ausgelegt und jeweils vorteilhaft. Daher wird es betriebsspezifische Schwerpunkte und oft Parallellösungen geben. Die Selbstbedienungskassen sind in der Regel für kleinere Einkaufskörbe geeignet, mit bis zu 10 Artikeln. Mehr geht auch, aber die Vorteile schwinden. Bei größeren Warenkörben ergibt sich häufig das Problem, dass die Ablagefläche mit integrierter Gewichtskontrolle zu klein ist. Die Self-Scanning Systeme sind hingegen für größere Einkaufskorbe geeignet, das erspart ein Umpacken und langes registrieren an der Kasse. Bei großen Verkaufsflächen mit kleinen und großen Einkaufskörben, macht es daher durchaus Sinn beide Systeme parallel anzubieten.
Wie entwickelt sich Ihrer Meinung nach der Trend zu Self-Checkout-Systemen im Handel und wie könnte er sich in Zukunft auf kleine und mittlere Unternehmen auswirken?
Die Marktentwicklung ist ganz klar. Wir haben seit 2015 alle 2 Jahre mindestens eine Verdopplung der Systemangebote in unserer Einzelhandelslandschaft. Wir haben aktuell im Vergleich von 2023 zu 2012 sogar eine Steigerung um mindestens das Zweieinhalbfache. Gerade bei den Selbstbedienungskassen sehe ich eine deutliche weitere Zunahme. Die Akzeptanz der SB-Kassen zeigt auch, dass viele Kund:innen diese Systeme bereits nutzen. Dadurch ist ein Lern- und Gewöhnungseffekt entstanden, der auch eine gewisse Erwartungshaltung schürt, was weitere Zuwächse erwarten lässt. Bei den mobilen Systemen haben wir im Moment eine sehr starke Zunahme bei den Systemen, die per Handscannern oder auch per Einkaufswagen genutzt werden. Die mobilen Systeme per Einkaufwagen kommen klassischerweise im Lebensmittelhandel und hier vor allem auf den Großflächen zum Einsatz. Die mobilen Systeme per App lassen sich relativ leicht umsetzen, werden aber derzeit nur von ganz wenigen Kund:innen genutzt. Aktuell sprechen wir noch von Nutzungsraten, die deutlich unter ein Prozent aller Transaktionen liegen. Momentan bieten sie also noch keinen großen Nutzen für den Einzelhandel. Das kann sich zukünftig ändern, aber aktuell liegen stationäre SB-Kassen klar im Trend, aber auch Einkaufswagen und Handscanner für den mobilen Einsatz. Bei App-Angeboten sehen wir aktuell noch eine gewisse Zurückhaltung.
Händler:innen mit kleinen Verkaufsflächen und geringer Kundenfrequenz profitieren eher wenig von SCO-Systemen. Bei hoher Kundenfrequenz oder Stoßzeiten mit Warteschlangenbildung kann der Einsatz von SB-Kassen gleichermaßen Erleichterungen die Kundschaft und den Händler ergeben. Auch bei Personalmangel und/oder langen Öffnungszeiten können sie vorteilhaft sein. Mobile Self-Scanning-Systeme sind tendenziell eher für größere Verkaufsflächen geeignet, mit Ausnahme der App-Systeme.
Weitere Informationen zum Thema Self-Checkout finden Sie in unserem Infoblatt „Self-Checkout im Einzelhandel“ und bei der „Self-Checkout Initiative“. Die „Self-Checkout Initiative“ ist eine neutrale und kostenlose Plattform, die Ihren Entscheidungsprozess zum Thema SCO vereinfachen soll.