Arbeitswelt im Handel am Limit: von notwendigen Umbrüchen und digitalem Wandel 

Silke MasuratGeschätzte Lesedauer: 3 Minuten

Der deutsche Einzelhandel präsentiert sich bunt, vielfältig, werteorientiert – und nah am Menschen. Doch ist er gleichermaßen von zahlreichen Herausforderungen getrieben: Nachwirkungen der Corona-Pandemie, Globale Krisen, brüchige Lieferketten und Inflation fordern die Handelsbranche genauso heraus wie der Ruf nach New Work, digitaler Transformation und Wertewandel. Ein Ruf, der auch bei den Mitarbeitenden im Handel laut wird und dem Geschäftsführende folgen sollten, um ihre Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen.      

All die oben aufgeführten Ereignisse und Paradigmenwechsel erhöhen den Druck auf Arbeitgeber, den diese im schlimmsten Fall an ihre Mitarbeitenden weitergeben. Zu diesem Schluss kommt auch  die aktuelle Trendstudie „Unternehmen am Limit: Wie Unternehmen zu gesunder Hochleistung kommen“ der Arbeitgeberauszeichnung TOB JOB in Zusammenarbeit mit dem Institut für Führung und Personalmanagement der Universität St. Gallen.  In der repräsentativen Stichprobe wurden über 10.000 Mitarbeitende und Führungskräfte aus über 80 deutschen Unternehmen befragt – unter anderem aus dem Einzelhandel.  

Die Studie zeigt, dass viele Unternehmen am Limit arbeiten und drohen in eine Beschleunigungsfalle zu geraten: Je höher der Leistungsdruck, desto stärker prägt sich kollektive Erschöpfung in der Belegschaft aus. Mit dieser Problematik hat auch der Einzelhandel in vielen Bereichen zu kämpfen. Die Corona-Lockdowns, sinkende Umsätze und rückläufige Kundenzahlen im stationären Geschäft lasten auch schwer auf den Schultern der Teams in den Filialen. Als eine Kernaussage der Studie möchte ich festhalten, dass jedes vierte Unternehmen, das an den Umfragen teilnahm, 2022 in dieser Form am Limit arbeitete.   

Betriebliches Burnout zieht gesundheitliche Folgen, Abwesenheitstage, Produktivitätsschwund und Unzufriedenheit mit dem Arbeitgeber nach sich. Keine guten Voraussetzungen in einer Zeit, in der Unternehmen nahezu jeder Branche den Fachkräftemangel spüren und um fähiges Personal werben. Für den Mittelstand heißt es mehr denn je, den Einzelhandel attraktiv nach innen zu gestalten und nach außen zu präsentieren. Doch wie kann das aussehen?   

New Work: Mit gutem Beispiel voran

New Work bedeutet auch im Handel viel mehr als mobiles Arbeiten. Der Begriff steht für digitale und unternehmenskulturelle Veränderungsprozesse, die bestenfalls in den Zentralen und Filialen synchron passieren. Mitarbeitende wünschen sich allem voran eine starke Unternehmenskultur, die von Vertrauen, Wertschätzung und Gestaltungsfreiheit geprägt ist. Um das eigene Team als Fans zu gewinnen und gleichzeitig neue Fachkräfte zu überzeugen, kommen Betriebe nicht umhin, sich als attraktive Arbeitgeber aufzustellen.  

Am Anfang jeder erfolgreichen Transformation hin zu einem attraktiven Unternehmen steht eine Führungsebene, die als Vorbild fungiert und mit ihrem Handeln für die Veränderungsprozesse einsteht. Die Daten der Trendstudie sagen aus, dass Vorbildhandeln des Managements die Zufriedenheit und die organisationale Identifikation in der Belegschaft um mehr als 20 Prozent steigert. Eine gelebte Unternehmenskultur zum Mitmachen – das ist Mitarbeiterbindung par excellence. Auf Langstrecke führt die interne wie externe Wahrnehmung als attraktiver Arbeitgeber zu immensen Kosteneinsparungen für aufwendige Recruiting-Prozesse sowie einer steigenden Qualität der Bewerbenden.

Neue Arbeitsmodelle im Handel gewünscht

Flexibles Arbeiten, zeitlich wie wo möglich auch räumlich, und Zugang zu digitalen Tools für Personaleinsatzplanung und Selbstorganisation – diese Maßnahmen zur Entscheidungsbefähigung wünschen sich Mitarbeitende im Handel. Ganz konkret können das Social Media-Gruppen für Filial-Teams sein, genauso Mitarbeiterzugänge zu Software für Produkt-Informationen und Sortimentspolitik. Wichtig dabei ist, dass die Einstiegshürden zu den digitalen Werkzeugen so gering wie möglich gehalten werden. Es geht darum, alle Mitarbeitenden vom Auszubildenden bis zum Management einzubinden, ihnen mit Vertrauen zu begegnen, und vor allem auch Personal in den Verkaufsräumen als Gestalter:innen zu verstehen.   

In welchem Maße die digitale Anbindung und Teilhabe an Entscheidungsprozessen positive Konsequenzen auf die Zufriedenheit der Mitarbeitenden haben, das können Umfragen beantworten. Regelmäßiges „Puls messen“ durch alle Abteilungen zeichnet Stimmungsbilder, die auf dem Weg zum attraktiven Arbeitgeber im Handel unterstützen.

Trendstudie: Gesunde Hochleistung

Silke Masurat ist Gründerin und Geschäftsführerin der zeag GmbH, dem Zentrum für Arbeitgeberattraktivität. Dort fördert sie im Rahmen des TOP JOB-Programms die Arbeitsplatzkultur und Nachhaltigkeit von Unternehmen inklusive regelmäßig erscheinender Studien zur deutschen Arbeitskultur. Masurats Leidenschaft für den Mittelstand zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Berufsleben: Eine langjährige Tätigkeit als PR-Managerin und Prokuristin mündet in der Funktion der geschäftsführenden Gesellschafterin für die compamedia GmbH.

Ihr Studium der Politik- und Verwaltungswissenschaften absolviert Silke Masurat an der Universität Konstanz. Daran knüpft sie eine Weiterbildung im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit an.