KI in der ländlichen Nahversorgung – ein Pilotprojekt
In seiner neuen Filiale im Freiburger Stadtteil Waltershofen testet Edeka Beckesepp erweiterte personallose Einkaufszeiten neben dem Regelbetrieb. Im Supermarkt sorgen SB-Kassen mit KI-gestützter Frischwarenerkennung und automatischer Altersverifikation für einen komfortablen Einkauf – in der Vorkassenzone betreibt das Familienunternehmen erstmals auch eine vollständig kassenlose SB-autonome Bäckereifiliale. Wie hat das Pilotprojekt funktioniert und welche Erkenntnisse konnte die Filiale feststellen?
Die Ausgangslage:
Klassische, fußläufig erreichbare Einzelhandelsstrukturen sind in ländlichen Regionen vielerorts nicht gegeben oder ziehen sich zunehmend zurück.
Die Herausforderung
Ziel ist es, die Nahversorgung im ländlichen Raum mit einem wirtschaftlich tragfähigen Konzept sicherzustellen. Gleichzeitig stellt der weitreichende Fachkräftemangel die Branche vor große Herausforderungen. Um vorherrschende Versorgungslücken zu schließen, sind daher innovative Lösungsansätze und die Anpassung klassischer Ladenkonzepte mithilfe von KI erforderlich.
Die Lösung
In dem Anfang Juni eröffneten Markt Edeka Beckesepp mit autonomer Bäckerei und Café können Kund:innen außerhalb des klassischen Tagesbetriebes auch in den Abend- und Nachtstunden sowie an Sonn- und Feiertagen personallos Supermarktprodukte einkaufen. In dieser Zeit erfolgt der Zugang zur Filiale über eine Identifikation mit der Bankkarte. Das ermöglicht eine Ausdehnung der Ladenzeiten und somit eine potenzielle Umsatzsteigerung – bei gleichzeitigen attraktiven Arbeitszeiten für das Personal. Zu den normalen Öffnungszeiten helfen die SB-Kassen mit KI-gestützter Frischwarenerkennung und automatischer Altersverifikation, den Fachkräftemangel auszugleichen.
Obst und Gemüse intelligent gecheckt
Im Mittelpunkt des neuen Selbstbedienungskonzepts stehen im Supermarkt drei innovative Selbstbedienungskassen mit integrierten KI-basierten Software-Lösungen zur automatischen Frischwarenerkennung und Alterskontrolle. Edeka Beckesepp ist der erste Einzelhändler in Europa, der die KI-basierte Frischwarenerkennung dauerhaft im Tagesgeschäft einsetzt. Die Lösung ist dabei auch auf die Anforderungen des filialübergreifenden Einzelhandels zugeschnitten. Ein klassischer Vorwiegevorgang in der Frischeabteilung entfällt ebenso wie die manuelle Produktsuche im Kassensystem, denn mit der Software zur Frischwarenerkennung lassen sich Artikel ohne Barcode, wie Obst und Gemüse, an der SB-Kasse identifizieren: Eine Kamera analysiert das eingelegte Produkt und erkennt auch Stückzahlen bei losem Verkauf.
Voraussetzung ist eine möglichst freie Platzierung des Artikels ohne Tüte. Das System zeigt mehrere visuell ähnliche Artikel zur Auswahl auf dem Display an – vor allem dann, wenn ein Produkt nicht eindeutig identifiziert werden kann. Die Trainingsdaten für die KI wurden vorbereitet, indem zahlreiche Produktfotos aus verschiedenen Perspektiven eingespeist wurden, um eine robuste Erkennung zu ermöglichen. Die Fehlerquote bei der Produkterkennung ist laut Edeka Beckesepp gering.
Altersmerkmale im Blick
Sobald an der SB-Kasse im Tagesbetrieb ein altersbeschränktes Produkt gescannt wird, startet das System eine Abfrage, ob eine automatische Altersprüfung gewünscht wird. Nach Einwilligung werden die Gesichtsmerkmale der Kund:innen mittels einer auf dem System installierten Kamera und KI-Algorithmen analysiert und so das Alter ermittelt. Eine Gesichtserkennung im engeren Sinn findet nicht statt, ebenso wenig werden laut Hersteller Bilder gespeichert oder persönliche Daten verarbeitet. Die Lösung ist DSGVO-konform und wurde diesbezüglich geprüft und freigegeben.
Damit die KI zuverlässige Ergebnisse liefert, muss die Person allein im Bild zu sehen sein und sich in Richtung Kamera orientieren. Für potenziell fehleranfällige Situationen – etwa, wenn sich mehrere Personen im Erfassungsbereich befinden, der Blick nicht in die Kamera gerichtet ist oder starkes Make-up die Merkmale überlagert – werden visuelle Hinweise wie farbige Orientierungshilfen eingeblendet. In diesen Fällen geht das System auf Nummer sicher: Im Zweifel erfolgt keine automatische Freigabe.
Interview mit Edeka Beckesepp
Im Interview spricht Beckesepp Inhaber Johannes Ruf über Feedback, technische Voraussetzungen und Zukunftspläne.
Feedback
1. Wie stark wird der Service des personallosen Einkaufens genutzt?
Der Service des personallosen und somit besonders flexiblen Einkaufs wird sehr gut angenommen – insbesondere am Sonntag. Vor allem Berufstätige und Pendler:innen schätzen unsere ausgedehnte Einkaufsmöglichkeit zu den Randzeiten.
2. Gab es eine Möglichkeit für die Kund:innen, Feedback zur neuen KI-Unterstützung zu geben?
Für unsere autonome Bäckerei in der Vorkassenzone haben wir via Social Media Teilnehmer:innen für eine Testkaufwoche ausgelost. Diese durften unsere autonome Bäckerei an 6 Tagen für je 10€ gratis testen und haben uns entsprechendes Feedback zurückgespielt. Das war ein voller Erfolg und hat gewinnbringende Erkenntnisse für uns hervorgebracht.
Vor Ort setzen wir bewusst auch auf analoges Feedback. Feedback-Zettel können direkt in der Filiale handschriftlich ausgefüllt werden. Dieses Angebot wird von einer breiten Zielgruppe sehr gut angenommen. Die Rückmeldungen fallen überwiegend sehr positiv aus, auch Sortimentswünsche werden über diesen Weg gerne geäußert.
Falls Fragen rund um den autonomen Bäckereieinkauf auftauchen, findet man unser hilfsbereites Beckesepp Supermarkt-Team zu den Personalzeiten auf der Verkaufsfläche oder an der Infokasse.
Im Rahmen unseres Sommerfestes haben wir unseren Gästen drei Live-Führungen angeboten. Auch diese wurden zahlreich besucht – offene Fragen konnten im direkten Austausch geklärt werden.
Seit der Eröffnung spiegeln auch die Google-Rezensionen (mit derzeit 4,7 Sternen) ein positives Bild wider: „Sehr modern“ – „Das Konzept ist fantastisch“ – „Das ist die Zukunft“ – die Bewertungen betonen immer wieder dieselben Aspekte. Man schätzt das zeitlich flexible und moderne Einkaufserlebnis.
3. Wie kommt das personallose Einkaufen seit Start des Pilotprojektes an?
Reale Kundenstimmen wurden bereits in verschiedenen TV-Beiträgen abgebildet: Die Vielzahl medialer Veröffentlichungen (z. B. bei Welt und SWR aktuell) zeigt, dass das innovative Filialkonzept den Nerv der Zeit trifft. Beim ersten autonomen Bäckerei-Einkauf sehen wir teilweise noch „Berührungsängste“ mit dem neuartigen System. Die legen sich jedoch rasch und der Einkauf wird schnell als intuitiv und einfach wahrgenommen. Dass man am Ende des Backwaren-Einkaufs ohne Check-out oder Kassieren „Einfach rauslaufen“ kann, war für die meisten Einkäufer:innen zunächst kurios, aber auch faszinierend. Eine intensive Betreuung und Einführung der Kund:innen in die Technik und in den (ungewohnten) Ablauf ist zu Beginn von immenser Wichtigkeit (unser Supermarkt-Team als auch unsere Auffüllkraft für Backwaren unterstützten immer gerne).
4. Finden die KI-gestützte Frischwarenerkennung und die automatische Altersverifikation bei den Kund:innen Anklang?
Die KI-Lösungen sind natürlich nicht der ausschlaggebende Punkt, um die Selbstbedienungskassen im Supermarkt grundsätzlich zu nutzen – sie werden jedoch sehr gut angenommen, da sie den Check-out-Prozess für unsere Kundschaft deutlich komfortabler und flüssiger gestalten: Die manuelle und manchmal mühsame Produktsuche bei der Erfassung von Frischwaren entfällt. Mitarbeiterinteraktionen wurden deutlich gesenkt, da keine manuelle Altersfreigabe erforderlich ist.
Pilot mit Zukunft
„Während wir mit den SB-Kassen auch einen Nachtbetrieb im Supermarkt ermöglichen, minimieren wir mit den beiden KI-basierten Lösungen zwei der meistgenannten Hürden, die Kund:innen bei der Nutzung von Selbstbedienungslösungen nennen: Das oftmals lange Suchen nach der richtigen Sorte bei der Erfassung von Frischwaren sowie die personalgebundene Freigabe altersbeschränkter Waren, die zudem mit einer Wartezeit verbunden sein kann“, sagt Johannes Ruf, Inhaber von Edeka Beckesepp.
Technik
Für die Umsetzung der KI-Selbstbedienungskassen mussten bestimmte technische Voraussetzungen erfüllt werden. Neben den Self-Checkout-Terminals kam Zutrittstechnologie zum Einsatz. Die eingesetzten Softwarelösungen wurden speziell für den personallosen Betrieb konfiguriert. Die Systeme erfordern eine stabile und leistungsstarke Internetverbindung, um die kontinuierliche Datenverarbeitung sicherzustellen.
1. Wie oft muss das System gewartet werden und braucht es dafür eine Personalkraft?
Die eingesetzte Hardware in der autonomen Bäckereifiliale wie Kameras oder Waagen ist weitgehend wartungsfrei. Lediglich in größeren Abständen erfolgt ein Routine-Check. Für den laufenden Betrieb ist jedoch kein zusätzliches Personal erforderlich – die Software wird permanent digital überwacht und arbeitet automatisch im Hintergrund.
2. Ab welcher Größenordnung kann ein kleiner oder mittelständischer Unternehmer diese Lösungen einsetzen (auch nur für eine Filiale)?
Die Lösung BÄKO-AutoPOS ist für Bäckerei- und Konditoreifilialen jeder Größe konzipiert – auch für einzelne Standorte. Entscheidend sind nicht die Filialanzahl, sondern die strategischen Ziele des Unternehmens. Das flexible Konzept umfasst bis zu sechs Betriebsformen, von hybriden Modellen mit Fachberatung bis hin zur autonomen SB-Bäckerei. So lässt sich die Lösung individuell an Standortbedingungen und Unternehmenspolitik anpassen und unterstützt wahlweise Kosteneffizienz, Fachkräftesicherung oder Wachstumsstrategien.
3. Gibt es neben einer Internetverbindung infrastrukturelle Voraussetzungen für die Integration der Systeme?
Die technischen Anforderungen sind überschaubar: Neben einer stabilen Internetverbindung (mindestens 40 Mbit/s Upload) sollte eine redundante Anbindung vorhanden sein – etwa über 5G, Starlink oder einen zweiten Leitungsanbieter. Wichtiger ist jedoch ein klar definierter Einkaufsablauf: vom Check-In über eine einheitliche Laufrichtung und einen strukturierten Regal- und Thekenaufbau bis hin zum Ausgang, damit der Einkauf sicher abgeschlossen wird.
4. Kommt es beim personallosen Betrieb zu vermehrtem Diebstahl im Vergleich zum normalen Betrieb mit Personal?
Nein, das konnten wir in unserer autonomen Bäckerei bislang nicht feststellen. Während dem personallosen Betrieb erfolgt der Filial-Zugang am Eingang mittels Bankkarte. Beim Eingangsterminal der Bäckerei checkt man wiederum ein – mittels Bankkarte oder Beckesepp-App. Jede Produktentnahme aus dem Bäckereibereich wird erkannt und der einkaufenden Personen zugeordnet.
6. Gab es Hürden bei der Umsetzung?
Das erste Learning war für uns die totale Abhängigkeit von einer stabilen, leistungsstarken Glasfaser-Internetverbindung. Eine intensive Betreuung und Einführung der Kund:innen in die Technik und in den (zunächst ungewohnten) Ablauf ist außerdem zu Beginn von immenser Wichtigkeit (unser Supermarkt-Team wie auch unsere Auffüllkraft für Backwaren unterstützten immer gerne).
Ein Blick in die Zukunft
1. Läuft das Pilotprojekt weiter und ab wann sind die KI-Lösungen im Markt fest integriert?
Da sich die Technologie – wie auch BÄKO-AutoPOS selbst – aktuell in der Pilotphase befindet, fließen die Erfahrungen aus den ersten Projekten direkt in die Weiterentwicklung ein. Die gesammelten positiven Erfahrungswerte am Standort Waltershofen bekräftigen uns in zukünftigen Roll-out-Bestrebungen.
2. Gibt es bereits daran anknüpfende Zukunftsprojekte?
Ja, das Konzept soll teilweise auch bei zukünftigen Standorten umgesetzt werden. Die positiven Erfahrungswerte seit der Eröffnung bestärken diese Entscheidung. Dank der integrierten Technik können wir unserem Team am Standort Waltershofen besonders attraktive und familienfreundliche Arbeitszeiten anbieten. Früh- oder Spätschichten müssen hier nicht mehr abgedeckt werden. Gleichzeitig profitiert unsere Kundschaft von besonders flexiblen und ausgedehnten Einkaufszeiten. Dadurch bieten wir eine ideale Versorgungsmöglichkeit für Berufstätige, Pendler und all jene, die ihren Einkauf zu den Randzeiten schätzen. Auch an Sonn- und Feiertagen. Im Einzelhandel ist der Fachkräftemangel spürbar. Mit unserem modernen Arbeitszeitmodell am Standort Waltershofen konnten wir jedoch all unsere offenen Stellen erfolgreich und zügig besetzen.
Zusammenfassung
Edeka Beckesepp testete in Freiburg-Waltershofen erfolgreich ein KI-gestütztes Selbstbedienungskonzept sowie die Frischwarenerkennung und Altersverifikation mithilfe von KI. Am Standort Waltershofen konnten wir aufgrund der attraktiven Arbeitszeiten alle Stellen problemlos besetzen. Die beiden KI-Lösungen bieten der Kundschaft mehr Komfort beim Check-out, sind jedoch keine Kompensation des Fachkräftemangels. Außerdem gestalten wir zudem ein komfortables Einkaufserlebnis für die Kundschaft ohne Warten und Suchen der Produktnummer. Der personallose Einkauf außerhalb regulärer Öffnungszeiten zeigt großes Potenzial für Umsatzsteigerung und flexible Arbeitszeitmodelle. Ein Roll-out in weiteren Filialen ist geplant.
Learnings aus dem Pilotprojekt
- Die automatisierte Frischwarenerkennung und Altersverifikation erleichtern den Checkout-Prozess und reduzieren Mitarbeiterinteraktionen an den SB-Terminals.
- Beim autonomen Bäckereieinkauf ist eine intensive Betreuung und Einführung der Kund:innen in die Technik und in den (zunächst ungewohnten) Ablauf zu Beginn von immenser Wichtigkeit.
- Erste „Berührungsängste“ mit dem neuartigen System legen sich rasch und der Einkauf wird schnell als intuitiv und einfach wahrgenommen.
- Die verschiedenen Feedbackmöglichkeiten kamen gut an, wurden intensiv genutzt und halfen so bei der Umsetzung.
- Inhaltlich war das Feedback überwiegend positiv, sowohl analog als auch digital.
Zu beachtende Voraussetzungen (autonome Bäckerei):
- Eine stabile, leistungsstarke Glasfaser-Internetverbindung, eine redundante Anbindung etwa über 5G, Starlink oder einen zweiten Leitungsanbieter und ein klar definierter Einkaufsablauf.
- Die eingesetzte Hardware ist bis auf Routine-Checks wartungsfrei. Für den laufenden Betrieb ist kein zusätzliches Personal erforderlich.
- Die eingesetzte Software im Konzept BÄKO-AutoPOS ist für Bäckerei- und Konditoreifilialen jeder Größe konzipiert – auch für einzelne Standorte. Entscheidend sind nicht die Filialanzahl, sondern die strategischen Ziele des Unternehmens. So lässt sich die Lösung individuell an Standortbedingungen und Unternehmenspolitik anpassen und unterstützt wahlweise Kosteneffizienz, Fachkräftesicherung oder Wachstumsstrategien.
Mehr lesen über
Unternehmen: Johannes Ruf Supermärkte GmbH & Co. KG
Ort: Freiburg-Waltershofen
Mitarbeitende: 373
Gründungsjahr: 1900 | Standorteröffnung 03.06.2025
Branche: Einzelhandel
Website: beckesepp.de
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