Interview mit Sandra Haderer
Liebe Sandra, vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst uns von deiner aktuellen Situation zu berichten. Inwiefern hat sich euer Geschäftsalltag durch das Coronavirus bereits verändert?
Naja, das Geschäft ist geschlossen. Wir sind momentan mit zwei statt drei bis vier Mitarbeiter*innen im Geschäft. Dadurch, dass wir einen Onlineshop auf die Beine gestellt haben, haben wir natürlich viel mehr mit E-Mails und Anrufen zu tun, aber auch damit, Päckchen zu packen und liebevolle Postkarten zu schreiben und dazu zu legen. Wir müssen im Moment jeden Tag neu planen und besprechen, was wir am folgenden Tag machen. Jetzt hängt zudem viel von Instagram Stories und den dortigen Postings mit Bildern ab. Außerdem müssen wir den Onlineshop ständig aktuell halten und prüfen, ob alle Größen verfügbar sind. Das sind ganz andere Aufgaben als normalerweise.
Ihr legt in eurem stationären Geschäft in Iserlohn viel Wert auf eine persönliche Beratung und eine Einkaufsatmosphäre, die ganz unter dem Motto „Einkaufen bei Freunden“ steht. Wie kommt ihr eurer Vision in Zeiten von geschlossenen Geschäften nach?
Auch hier muss ich hervorheben, dass Instagram gerade sehr wichtig für uns ist und wir viele Live- Stories machen, in denen die Leute direkt auf unsere Aktionen reagieren können. Man kann uns aber auch auf allen möglichen Kanälen kontaktieren und erreichen– sei es WhatsApp, Facebook oder Instagram-Nachrichten und natürlich per E-Mail und Telefon. Wir freuen uns über jeden Anruf! Viele Kund*innen geben tatsächlich auch ihre persönliche Telefonnummer mit an, weil wir unseren Kund*innen ans Herz gelegt haben, dass nach wie vor das persönliche Gespräch und die persönliche Beratung ausschlaggebend sind. Sei es nun per Telefon oder Sprachnachricht – in direktem Kontakt können wir viel besser auf den Punkt beraten. Wir merken, dass viele Kund*innen das Angebot gerne in Anspruch nehmen. Dadurch bleibt die persönliche Ebene trotzdem erhalten und wir bekommen bisher auch sehr liebes Feedback. Wir haben zwar erst seit anderthalb Wochen den Shop online, aber auch die Retouren scheinen sich gerade dadurch, dass die persönliche Beratung weiterhin besteht, in Grenzen zu halten.
Inwieweit hilft eure Präsenz auf Facebook und Instagram dabei, alles am Laufen zu halten und den Kundenkontakt nicht zu verlieren?
Das hilft uns im Moment unglaublich viel und ich bin sehr froh, dass wir die letzten drei Jahre schon so viel Gas gegeben haben auf beiden Kanälen. Dadurch haben wir bereits einen engen Kundenkontakt aufbauen können – auch zu Kunden, die noch nicht in unserem Geschäft waren, sondern viel weiter weg aus dem süd- oder norddeutschen Raum kommen. Besonders diese Kund*innen haben ziemlich gejubelt, dass wir einen Onlineshop auf die Beine gestellt haben.
Ihr habt spontan einen Onlineshop auf die Beine gestellt. Erzähl doch bitte einmal, wie es dazu gekommen ist. War der Launch ohnehin schon geplant?
Nein, das war nicht geplant. Es war immer schon mal bei uns im Gespräch und ist auch durch Kund*innen angeregt worden, die ohnehin etwas weiter weg wohnen und sich das sehr gewünscht haben. Ich habe mich aber bisher mit Händen und Füßen dagegen gewehrt. Eben auch weil wir den persönlichen Kundenkontakt hier im Geschäft sehr lieben und sich auch viele Kunden von weiter weg auf den Weg zu uns machen. Dadurch, dass die Geschäfte im Moment geschlossen sein müssen, haben wir unseren Onlineshop dann doch spontan in Angriff genommen und sind jetzt sehr dankbar dafür, dass wir das so gut umsetzen konnten.
Vor welchen Herausforderungen standet ihr auf diesem Weg?
Erst einmal standen wir vor der Herausforderung, möglichst schnell ganz viele Outfit-Shootings machen zu müssen. Das Bildmaterial von dem einzelnen Brand ist zwar meistens professionell, aber oftmals wird nur das Teil an sich zeigt, ohne eine Person, die es trägt. Wenn Personen in der Kleidung stecken, sind das jedoch meistens Models. Uns war es sehr wichtig, dass unsere Kund*innen erkennen können, wie das Produkt aussieht, wenn eine normale Person darin steckt. Außerdem waren natürlich die technischen Herausforderungen darum herum absolutes Neuland für uns. Zum Glück haben wir aber eine technisch begabte Kollegin, die das gut umsetzen konnte und uns dadurch natürlich eine sehr große Unterstützung war. Nichtsdestotrotz brauchten wir auch professionelle Hilfe durch eine Werbeagentur. So konnte das alles ziemlich schnell umgesetzt werden – auch wenn es einige Tag- und Nacht-Schichten waren.
Darüber hinaus war auch der Zeitfaktor eine Herausforderung. Durch die Zwangsschließungen wussten wir, dass uns nur noch wenige Tage Zeit blieben oder Null Umsatz drohte. Daher mussten wir extra viel Gas geben und Punkte, wie die Bilderbearbeitung, schnell abwickeln.
Wie sind die ersten Reaktionen eurer Kund*innen?
Die waren ziemlich überwältigend. Wir haben sehr viele Nachrichten auf allen Kanälen bekommen. Um 16 Uhr sind wir mit dem Onlineshop live gegangen, ab zehn nach vier sind die ersten Bestellungen eingetrudelt und am nächsten Tag und den darauffolgenden Tagen durften wir schon viele Päckchen packen. Fast jede E-Mail war mit einer lieben Bemerkung versehen, dass man uns die Daumen drücke, wir durchhalten sollen und man das mit uns gemeinsam durchstehe. Das ist natürlich sehr schön zu lesen – egal, ob es Jubelrufe von weiter weg wohnenden Personen sind, die uns schon sehr lange über Instagram folgen oder ob es unsere Kunden aus dem nächsten Umfeld sind, die auch fleißig Gutscheine, Lakritz oder auch Klamotten bestellt haben.
Welchen Rat würdest du anderen kleinen Händler*innen gerne mit auf den Weg geben?
Gas geben und nicht verzagen! Auch wenn man keine Lust darauf hat und es wirklich viel Arbeit ist, sollten sich Händler*innen um ihre Social-Media-Kanäle kümmern – vor allem Instagram. Zudem sollte man nicht nur auf Postings mit schönen und qualitativhochwertigen Bildern setzen, sondern auch Live-Stories nutzen, um Kundennähe aufzubauen. Außerdem ist der Austausch untereinander sehr wichtig: Händler*innen sollten mit anderen Geschäften und Inhabern netzwerken, um so von deren Erfahrungen zu profitieren.