Interview: Rund um die Uhr einkaufen – 24/7-Store verbessert Nahversorgung
Anne Buchenau-AschéGeschätzte Lesedauer: 4 MinutenEs ist Donnerstag, 20:00 Uhr und zum Filmabend fehlen noch Snacks und Getränke – doch es ist kein Laden in der Nähe, der noch geöffnet hat? Das ist leider Realität in ländlichen Regionen. Im Interview erklärt Heiko Wolfram, Initiator des 24/7-Stores „Lottis Lädchen“ in Saalburg-Ebersdorf, Thüringen, wie man das Umsatzpotenzial verwirklichen und dabei sogar Unterstützung erhalten kann.
Oft ist es ein Problem auf dem Land: Wie bringe ich kaufwillige Kundschaft und Verkäufer:innen zusammen? Gerade hier, wo es auch werktags tagsüber nicht viele Geschäfte in unmittelbarer Nähe gibt. Lieferdienste fordern zudem eine hohe Anfahrtspauschale oder der Auslieferungsradius endet sogar ganz. Ein Container mit durchgängig personallosem Zugang und digitalen Bezahloptionen ist die Lösung.
Persönlicher Einstieg
Herr Wolfram, wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen 24/7-Store ins Leben zu rufen und wer hat diesen gebaut?
Meine Familie (meine Frau, zwei erwachsene Kinder und ich) hat sich schon länger Gedanken gemacht, wie wir unser Grundstück am Backhaus in Saalburg noch effektiver nutzen können. Wir sahen in anderen Regionen diese 24-Stunden-Märkte oder Automaten und meinten, es wäre auch eine Idee für uns. Wir begannen im Frühjahr 2021 die Idee konkret zu planen. Gleichzeitig haben wir zur Kenntnis genommen, dass es auf solche Projekte eine Förderungsmöglichkeit gibt und diese beantragt. Die Förderung wurde genehmigt und wir bauten den Store auf. Zum 01.04. 2022 war offizieller Start des Verkaufs.
Wie ist die Versorgung in Ihrer Stadt aufgestellt bzw. wie unterstützt das Angebot eines 24/7-Stores die Nahversorgung?
Direkt im Ortsteil Saalburg gibt es keinen Supermarkt etc. Es gibt zwei Bäcker, einen Fleischer und ein Geschäft mit Geschenkartikeln, Lotto, Postannahme, Alkohol und Zigaretten. Wir (Spedition Wolfram) bieten auch frische Milch, H-Milch, Butter, alkoholische und nichtalkoholische Getränke, Snacks, Süßwaren, Fleisch und Wurstwaren, Eier, Nudeln und Käse an. Insgesamt 116 Artikel.
Haben Sie einen großen, eigenen Laden, der als Hauptgeschäft dient?
Nein. Mein Haupterwerb ist die Heiko Wolfram Spedition – Fuhrgeschäft und Personentransporte.
Technik & Angebot
Wie ist „Lottis Lädchen“ technisch aufgebaut?
Wir haben einen Container der 24/7 geöffnet ist, darin stehen vier Verkaufsautomaten. Einen Automaten für Getränke, einen Automaten für Eier und Süßwaren, einen Automaten für Fleisch, Wurstwaren und Suppen, einen Automaten für Milch, Milchprodukte, Käse, saisonale Waren und Snacks. Bezahlt wird an einem zentralen Terminal. Jedes Produkt hat eine eigene Auswahlnummer. Die Nummer wird gewählt und es wird bezahlt, über einen List im Automaten wird das Produkt dann abgeholt und in den Ausgabeschacht gelegt, wo der Kunde oder die Kundin es entnimmt.
Welches Produktangebot hat „Lottis Lädchen“ und woher kommen die Produkte?
Wir versuchen, regionale Produkte zu beziehen. Die Sachen für den Grill kommen vom Fleischer in Saalburg und Langgrün. Wurst von Schleiz und Knau. Die Getränke von Firmen aus der näheren Umgebung, Bad Brambach, Kulmbach etc. Milch aus Plauen, Käse und Milchprodukte von Altengesees und die Eier von Oettersdorf. Aber nicht alles geht regional, einige Produkte sind von großen überregionalen Herstellern.
Wie werden die Produkte ausgewählt?
Das Kaufverhalten der Kundschaft wählt die Produkte aus. Wir fragen bei verschiedenen Herstellern nach. Da, wo wir denken, Preis und Leistung passt, nehmen wir die Produkte in den Verkauf. Wenn das Produkt gut verkauft wird, bleibt es im Angebot, ansonsten wird es gegen ein Nächstes ausgetauscht. Außerdem kann man Anregungen, Produktwünsche oder Mietanfragen per E-Mail einreichen.
Wie oft wird „Lottis Lädchen“ befüllt?
Wir befüllen täglich, während des Festivals „Sonne, Mond und Sterne“ im Sommer oder an Feiertagen auch mehrmals am Tag.
Welche Bezahlmöglichkeiten hat die Kundschaft?
Es gibt vielfältige Möglichkeiten der Bezahlung. Mit Bargeld vom 5 Centstück bis zum 20Euro-Schein. Das Kassensystem gibt nur Münzen als Wechselgeld zurück. Es kann außerdem bargeldlos mit Bankkarte, Kreditkarte, Handy oder Smartuhr bezahlt werden. Fast alle Systeme der Bezahlung sind möglich.
Ist Diebstahl ein Thema? Haben Sie vorbeugende Maßnahmen ergriffen?
Gegen Diebstahl sind Kameras installiert. Wir sind bis jetzt zweimal in überschaubaren Maß bestohlen worden.
„Lottis Lädchen“ ist auch Teil der Versorgung des jährlich an der Bleilochtalsperre bei Saalburg-Ebersdorf stattfindenden „Sonne, Mond und Sterne“-Festivals? Wurden Sie hier eingebunden?
Eine Einbindung seitens des SMS-Veranstalters erfolgte zwar nicht, wir überarbeiten aber zu dem Zeitpunkt immer unser Sortiment für das SMS (keine Glasflaschen) und passen unsere Produktpalette an die Gäste und ihr Campingverhalten bzw. ihren Bedarf an.
Zukunftsausblick
Gibt es seit „Lottis Lädchen“ weitere Bestrebungen in der Umgebung, die Versorgung auszubauen bzw. unabhängig von Ladenzeiten diesen Service anzubieten?
Von weiteren Bestrebungen ist mir nur die geplante Aufstellung autarker Automaten an Wanderwegen bekannt. Mit unserer Eröffnung hatten mehrere Automatenbetreiber auch eröffnet, da wohl grundsätzlich die Nachfrage besteht. In näherer Umgebung haben diese seit 2 Jahren leider schon wieder geschlossen. Die genauen Gründe kenne ich hier leider nicht.
Welche Pläne haben Sie für die Zukunft von „Lottis Lädchen“?
Unsere Zukunftspläne sind nicht zu rosig. Wir haben dieses Jahr das erste Mal einen Umsatzeinbruch erlebt. Nächstes Jahr ab Frühjahr soll in Saalburg ein kleiner Supermarkt eröffnen – ein Nahkauf zum 1. Mai.
Ich weiß nicht, ob wir dann noch über den Herbst hinaus unser Lottis betreiben.
Vielen Dank Herr Wolfram für Ihre Zeit und den Einblick in Ihr Projekt „Lottis Lädchen“, das die Menschen in der Region so flexibel und digital mit Produkten versorgt, die saisonal und bedürfnisorientiert angepasst werden.
Wir wünschen Ihnen, dass es mit „Lottis Lädchen“ weitergeht und Sie so weiterhin einen wichtigen Teil zur Versorgung der Menschen beisteuern können.
