Die vier Handlungsfelder der Digitalisierungsstrategie für KMU

Frank RehmeGeschätzte Lesedauer: 4 Minuten

Dass Digitalisierung den Weg in die Zukunft ebnet, ist auch im Handel nicht neu. Aber wo fängt man an? Das Mittelstand-Digital Zentrum Handel hat dafür die Digitalisierungspyramide entwickelt – sie gibt einen guten Überblick und erleichtert so den Einstieg.

Die Digitalisierungspyramide setzt sich aus vier übergreifenden Handlungsfeldern zusammen: Interne Prozessoptimierung, Sichtbarkeit im Web, digitales Verkaufen und Künstliche Intelligenz. Doch was genau versteckt sich hinter den einzelnen Bereichen?

Die Digitalisierungspyramide umfasst Grundlagen, Integration und Optimierung der digitalen Transformation.
Die Digitalisierungspyramide umfasst Grundlagen, Integration und Optimierung der digitalen Transformation.

Das Enterprise Resource Planning (ERP)-System

Unsere Projekterfahrung zeigt, dass ganze 30 bis 40 Prozent der Händler:innen nicht über ein Warenwirtschaftssystem (WWS) verfügen. Dazu kommt, dass viele der Händler:innen, die ein WWS nutzen, nicht wissen, wie sie es effizient verwenden können. Dabei handelt es sich beim Warenwirtschaftssystem um das zentrale IT-System im Handelsunternehmen. Neben der Logistik ist die IT eines der zwei essentiellen Bestandteile im Handel. In einem WWS werden diese beiden Komponenten miteinander verbunden. Zusätzlich hat es weitere Funktionalitäten, wie bspw. die Automatisierung über Schnittstellen oder das „Füttern“ eines Onlineshops mit Daten, also Informationen. Man erhält mit einem WWS also Informationen in Echtzeit über alle Bereiche des Unternehmens.

Allerdings ist das Warenwirtschaftssystem nicht mit einem ERP-System zu verwechseln. Denn ein ERP-System verfügt über weitere Funktionalitäten wie zum Beispiel Buchhaltung, Tourenplanung oder Personaleinsatzplanung und gestaltet die administrativen Aufgaben noch einfacher. Daher empfiehlt es sich, auch in ERP zu denken, statt nur in Warenwirtschaft.

Unserer Projekterfahrung nach nehmen die administrativen Tätigkeiten im Handel durchschnittlich 40 Prozent der Aufgaben in Anspruch. Durch ein ERP-System können diese Aufgaben vereinfacht werden, Händler:innen haben so mehr Zeit für ihre Kund:innen. Daher ist es umso wichtiger, eher früher als später mit der Digitalisierung zu beginnen, auch bei Backstore-Prozessen. Dabei sollten sich Händler:innen allerdings  bewusst machen: Das perfekte System gibt es nicht. Es geht darum, Kompromisse zu finden und zu schauen, welche Lösung am nächsten an die eigenen Anforderungen heranreicht. Auf Branchenlösungen sollte daher ein besonderer Fokus gelegt werden.

Sichtbarkeit

Social Media ist zum essentiellen Bestandteil im Handel geworden. Händler:innen können es sich schlichtweg nicht mehr leisten, auf den Kanälen nicht präsent zu sein, denn es wird immer mehr Zeit in den sozialen Medien verbracht. Junge Menschen im Alter von 14 bis 29 Jahren verbringen durchschnittlich 257 Minuten pro Tag im Internet. Aber auch Menschen ab 70 Jahren sind mittlerweile durchschnittlich 49 Minuten am Tag online. [1] Daher müssen Händler:innen dort sein, wo ihre Kund:innen sich aufhalten.

Abhängig vom Alter halten sich die Kund:innen mit unterschiedlicher Intensität auf den verschiedenen Plattformen auf. Viele verbringen ihre Zeit bei YouTube, die ältere Generation zudem eher bei facebook, die jüngere Generation bei TikTok. Daher stellt sich für die Händler:innen die Frage „Wer ist meine Kernzielgruppe?“. Daraus schlussfolgert sich, auf welchen Plattformen sie selbst unterwegs sein sollten. Zudem müssen die ausgespielten Inhalte einen Mehrwert bieten, wie bspw. Erklärvideos zu bestimmten Produkten oder Entscheidungshilfen für die Produktauswahl.

Digital verkaufen

Händler:innen haben zwei Möglichkeiten, um ihre Produkte digital zu verkaufen: über einen Marktplatz oder über den eigenen Onlineshop.

Zu den Marktplätzen gehört die amerikanische Plattform Amazon, aber auch die chinesischen Plattformen wie, Xi’in, Wish und Temu, die auch in Deutschland immer mehr Raum einnehmen, sowie viele weitere wie ebay und Co. Da das Einstellen der eigenen Produkte auf einem Marktplatz mit deutlich weniger Aufwand verbunden ist, empfiehlt es sich, erst einmal mit dem Marktplatz einzusteigen und später den unabhängigen Weg mit einem eigenen Shop zu gehen.  Jede:r Händler:in muss sich jedoch zu Beginn die Frage stellen „Gehe ich auf einen Marktplatz oder erstelle ich einen eigenen Onlineshop?“. Denn beide Wege haben ihre Vor- und Nachteile. Der Marktplatz ist schnell eingerichtet, hat eine große Reichweite, ist rechtlich gut gesichert und hat den Bereich SEO bereits gut abgedeckt. Allerdings fallen Transaktionsgebühren an und Händler:innen sind abhängig, bspw. bei der Listung. Ein eigener Onlineshop sorgt für Unabhängigkeit, Flexibilität und vollständige Kontrolle. Allerdings muss zuerst eine Reichweite generiert, die eigene Expertise aufgebaut und Lösungen für Zahlungsabwicklungen, Logistik etc. gefunden werden.

Interessant für Händler:innen ist auch, dass sich Kund:innen häufig zuerst auf Plattformen (Marktplatz und Onlineshop) informieren, bevor sie ein Produkt stationär kaufen.

KI für den Mittelstand: Praxisbeispiele

Künstliche Intelligenz lässt sich im Handel auf unterschiedliche Weise anwenden. Folgende Händlerbeispiele zeigen zwei Varianten:

Der Baumarkt Hagebaumarkt Grünhoff hat eine Sortimentsveränderung vorgenommen, da er ein Problem mit der Flächenrentabilität in mehreren Bereichen festgestellt hat. Es wurden neue Sortimente im Bereich Wohnen und Freizeit etabliert, die allerdings neue Zielgruppen ansprechen. Diese mussten nun animiert werden, den Store zu besuchen.

Mithilfe einer Agentur wurde daher mehrere Social Media-Kampagnen erstellt. Um festzustellen, ob die Kampagnen die richtigen Kund:innen ansprachen, wurde auf die bestehende Kamerainfrastruktur im Markt eine Analyse-Software installiert. Diese Software kann datenschutzkonform erkennen, welche Personen (Frauen oder Männer welcher Altersgruppe) den Markt betreten. Das ermöglicht dem Händler, die Effizienz seiner Marketingaktivitäten zu überwachen. Die Frage, welche Kampagne die Zielgruppe am besten anspricht, kann damit leicht beantwortet werden.

Das zweite Beispiel dreht sich um KI-gestützte Marketingmaßnamen über Social Media.Das Modehaus Lenzenhuber aus der Eifel automatisierte seine Social Media-Aktivtäten, um mit wenig Aufwand ein Gesicht in den sozialen Medien zu erhalten und für seine Zielgruppe sichtbarer zu werden.

Dafür wurde eine KI angelernt, aus dem Warenwirtschaftssystem des Händlers automatisiert über 200 Produkte zu wählen und diese auf sozialen Medien und in TV zu bewerben.

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Wir stehen Ihnen gern für eine kostenfreie Unternehmenssprechstunde zur Verfügung.

[1] Quelle: Statista