Kreislaufwirtschaft – hinaus aus der Wegwerfgesellschaft
Franziska DickmannGeschätzte Lesedauer: 3 MinutenDer Weg zur Kreislaufwirtschaft – für viele Unternehmen eher Theorie als Praxis. Auf was ist bei der Umstellung zu einer Kreislaufwirtschaft zu achten? Welche digitalen Technologien spielen eine Rolle und wie können sie eingesetzt werden? Und wieso ist das Thema auch für mittelständische Unternehmen von Bedeutung?
Was ist der European Green Deal (Europäischer Grüner Deal)?
Der 2019 eingeführte European Green Deal ist Europas Weg, um bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden. Beschlossen von den 27 EU-Mitgliedstaaten, soll mit dem European Green Deal eine moderne, ressourceneffiziente und wettbewerbsfähige Wirtschaft geschaffen werden. Teil davon ist die Kreislaufwirtschaft, die im Rahmen des Green Deal etabliert werden soll.
Was genau meint Kreislaufwirtschaft?
Die Kreislaufwirtschaft ist ein Produktions- und Konsummodell, bei dem vorhandene Materialien und Produkte so lange wie möglich geteilt, wiederverwendet, repariert, aufgearbeitet und recycelt werden. Dadurch soll der Lebenszyklus von Produkten verlängert werden. Die Kreislaufwirtschaft wendet sich damit vom traditionellen Wirtschaftsmodell ab, dass dem Muster „Gewinnung, Produktion, Nutzung, Entsorgung” folgt und auf großen Mengen an billigen, leicht zugänglichen Materialien und Energie basiert.
Was können mittelständische Unternehmen tun, um selbst eine erfolgreiche Kreislaufwirtschaft zu etablieren? Mithilfe folgender sieben Prinzipien können Produkte und Produktionsprozesse systematisch hinterfragt werden:
- Rethink: Überdenken des Produktes und seines Herstellungsprozesses, besonders in Hinblick auf verwendete Ressourcen.
- Redesign: Designüberarbeitung des Produkts, um seine Lebensdauer zu erhöhen. Dazu gehört auch, es nach Möglichkeit reparierbar zu machen.
- Repurpose, Reuse, Share: Neue Verwendungszwecke und weitere Nutzungsformen mitdenken, um das Produkt länger zu verwenden.
- Repair: Optimierung der Reperaturmöglichkeiten (auch Redesign), vor allem aber auch die Bereitstellung dafür notwendiger Informationen und Unterstützung.
- Remanufacture: Rücknahme und professionelle Aufbereitung des Produkts am Ende seines Lebenszyklus.
- Recycle: Wiederverwertung von so vielen Bestandteilen des Produkts wie möglich.
- Recover: Wiedergewinnung und Nutzbarmachung von Kleinstbestandteilen des Produkts (z.B. einzelne Metalle).
Für Händler:innen bieten dabei auch die aktuellen Gesetzgebungen, die an der Kreislaufwirtschaft ansetzen, Orientierung: Das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz gibt Online-Händler:innen mit der Obhutspflicht das Ziel vor, Retourenvernichtung zu vermeiden. Die EU-Ökodesign-Richtlinie schreibt die Lieferung von Ersatzteilen für Produktgruppen innerhalb eines bestimmten Zeitraums sowie Informationen über Mängel und Reparierbarkeit vor.
Wie kann Digitalisierung die Kreislaufwirtschaft beeinflussen?
Um die sieben Prinzipien selbst anzuwenden und umzusetzen, können Unternehmen auch auf verschiedene digitale Technologien zurückgreifen:
Intelligente Algorithmen helfen im Online-Handel, besser auf die Bedürfnisse der Kund:innen einzugehen und ihnen passgenauere Kleidung anzubieten: mit dem sogenannten Predictive Analytics können Artikel, die aufgrund ihrer schlechten Passform vermehrt zurückgeschickt werden, in Onlineshops automatisch weiter hinten angezeigt werden. So bleibt die Rücksendung und potenzielle Vernichtung der Retourensendung aus.
Wird dennoch zurückgeschickt, gibt es Alternativen zur Vernichtung: Re-Commerce. Dabei handelt es sich um Onlineplattformen, die sich auf den Handel mit gebrauchten Produkten spezialisiert haben. Händler:innen haben die Möglichkeit, hier Secondhand- oder wieder instandgesetzte Ware zu verkaufen – und können so auch neue Zielgruppen erschließen.
Das Internet of Things (IoT) sorgt für verstärkte Konnektivität, was für den E-Commerce von Bedeutung ist. Denn Smarte Logistik verbindet alle Beteiligten einer Lieferkette (Lieferanten, Spediteure, Depots) stärker miteinander als zuvor möglich.
Die Beispiele verdeutlichen: Der Einsatz von digitalen Anwendungen und Technologien und nachhaltigeres Wirtschaften im Sinne einer Kreislaufwirtschaft gehen oft Hand in Hand. Neben den genannten Anwendungsbeispielen kommen weitere Technologien, wie Rückverfolgungs- und Rückführungssysteme, Mobilfunk-Technologien oder Erweiterte Recycling-Technologien zum Einsatz. Die digitalen Anwendungen sind dabei häufig branchenunabhängig oder übertragbar.
Das Umdenken in der Gesellschaft nimmt zu
Das Invest in nachhaltigere Produkte wird nicht nur von der Regierung, sondern auch von den Kund:innen selbst vorangetrieben. Dass sich das Denk- und Kaufverhalten der Verbraucher:innen ändert, ist keine Überraschung mehr. Die im Jahr 2020 von EY durchgeführte Befragung mit dem Schwerpunkt „Nachhaltiger Konsum“ fand heraus, dass grundsätzlich mehr als zwei von drei Konsument:innen bereit wären, für die Umweltverträglichkeit eines Produktes einen Aufpreis zu zahlen.
Vor allem bei den jüngeren Generationen ist das Nachhaltigkeitsbewusstsein immer stärker verankert und äußert sich in konkreten Forderungen an den Handel. Mit den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft können Unternehmen nicht nur dazu beitragen, die jährlichen Treibhausgasemissionen zu verringern. Durch Abfallvermeidung, angepasstes Design und die Wiederverwendung von Produkten oder Produktbestandteilen sparen sie auch selbst.
Quellen:
- European Parliament – Circular Economy; European Green Deal
- Mittelstand-Digital Magazin Wissenschaft trifft Praxis – Nachhaltigkeit und Digitalisierung (Ausgabe 14)
- pwc – Wieso die Kreislaufwirtschaft zur neuen Normalität wird
- EY – Nachhaltiger Konsum