Ende vergangenen Jahres lancierte Lush in München mit einem geräumigen hellen Store auf drei Etagen eine Art Kaufhaus-Format. Seitdem haben sich die Ereignisse überschlagen und manche Pläne jäh durchkreuzt. Paul Wheatley, International Property Manager, gibt aktuelle Insights in die britische Kosmetikmarke, die einen wichtigen Player in der innerstädtischen Filiallandschaft stellt.
Ewiges Händewaschen: Gehört das Lush-Kernprodukt, das gute alte Seifenstück, zu den Krisengewinnern?
Auf die erhöhte Nachfrage nach Seife haben wir mit verschiedenen Maßnahmen reagiert: Unter anderem haben wir spezielle Handpflege-Sets aus Handseifen und den dazugehörigen Pflegeprodukten auf den Markt gebracht. Das Format dieser Sets ist so konzipiert, dass sie problemlos in einen Briefkasten passen, sodass die kontaktlose Lieferung möglich ist. In der Lockdown-Zeit haben wir alle Seifenbestände der Läden an lokale Graswurzelgruppen gespendet. Die Seifenspende in Deutschland belief sich auf 1.265 kg und weltweit auf rund 24.000 kg.
Das Lush-Einkaufserlebnis lebt vom Riechen, Tasten, Testen, Erforschen und Ausprobieren, und nicht zuletzt auch von der Nähe. Wie gehen Beratung und Verkauf mit Mundschutz und Abstandsregelung in den Läden vonstatten?
Die aktuelle Situation ist mit Sicherheit eine Herausforderung für den gesamten Einzelhandel, an die auch wir uns anpassen. Aufgrund der geringen Ladengröße mancher unserer Shops kann Social Distancing ein echtes Problem darstellen. Wo wir Kunden nicht in die Läden lassen können, haben wir auf Kioskbetrieb umgestellt: Dazu wurden am Ladeneingang Plexiglasschutz und Kassen aufgebaut. Kund*innen stehen dann außerhalb des Ladens und können ihre Wunschprodukte an der Theke ordern. In den größeren Geschäften gehören neben den Beschilderungen und Bodenmarkierungen kleine Seifenstücke zum Hygienekonzept, die die Kunden nach Betreten des Shops zum Händewaschen kostenlos nutzen können. Beratungen finden nur mit Abstand und Mund-Nasen-Bedeckung statt. Aus Sicherheitsgründen haben wir Tester aus dem Geschäft genommen und achten darauf, dass die Produkte nicht angefasst werden. Es ist uns wichtig, dass die Kund*innen die Produkte zumindest visuell testen können, dazu haben wir unsere Lush Lens-App im Einsatz. Wir fotografieren mit dem Smartphone ein Lush-Produkt, daraufhin werden ein Bild, ein Beschreibungstext und ein Anwendungsvideo aufgerufen, die einen Eindruck vermitteln.
Welche Konsequenzen ziehen Sie aus der Situation mit Blick auf die Zukunft?
Planen Sie Kursänderungen?
Momentan prüfen wir alle Möglichkeiten, da sich verschiedene Teile der Welt in unterschiedlichen Phasen der Pandemie befinden. Wir beobachten einen starken Anstieg der digitalen Verkäufe. Sollte das Online-Geschäft so stark bleiben, wird sich das auf das stationäre Business auswirken. Seit der Wiedereröffnung unserer Shops haben wir stets die Verkaufsentwicklung im Blick, um zu sehen, was funktioniert und was nicht. Entsprechend passen wir die Gestaltung unserer Ladenfläche und unseres Produktsortiments an.
Steht die Ladendichte zur Diskussion?
Derzeit haben wir nicht die Absicht, die Anzahl der Shops oder der Länder, in denen wir unsere Produkte vertreiben, radikal zu verändern. Natürlich wird der Finanzstatus der kommenden Monate einen gewissen Einfluss auf unseren globalen Immobilienbestand haben, aber ich hoffe, dass unsere bestehenden Vermieter bereit sind, mit uns zusammenzuarbeiten. Wir wollen sicherstellen, dass wir auch in Zukunft auf den Einkaufsstraßen und in den Malls vertreten sein werden, auch wenn wir uns dafür kurz- bis mittelfristig mit geringeren Besucherzahlen und Umsätzen abfinden müssen.
Ende letzten Jahres eröffnete in München auf drei Etagen der erste „Anchor-Store“ in Deutschland. Anker-Stores, Kaufhaus-ähnliche Formate mit erweiterten Produktlinien und -themen, sind eines von drei verschiedenen Store-Formaten von Lush. Planen Sie Änderungen in Ihrem System unterschiedlicher Flächenformate?
Wir haben immer noch Ideen für weitere Concept- und Anchor-Stores und wir sehen auch Möglichkeit für weitere Ladeneröffnungen. Die finanziellen Auswirkungen von Covid-19 auf das Geschäft bedeuten allerdings auch, dass wir unser Investitionsprogramm neu bewerten und uns von bestimmten Investitionsplanungen vorerst zurückziehen mussten. Änderungen an einigen unserer derzeitigen Concept-Stores können nicht ausgeschlossen werden, aber mit einer guten Portion Kreativität innerhalb des Unternehmens ist es sehr wahrscheinlich, dass andere Ideen in der Pipeline irgendwann ihren Weg in die Läden finden werden. Anchor-Shops wie München und Liverpool sind nach wie vor äußerst wichtige Meilensteine, und wir würden uns weltweit noch mehr davon wünschen.
Generell: Was macht stationären Retail attraktiv?
Stationär muss es immer einen Unterschied zu online geben – oder etwas Neues, daran arbeiten wir permanent. Unser Team von Kreativen und Entwicklern spornt sich ständig gegenseitig an, noch aufregendere Produkte zu entwickeln, daher auch die verschiedenen Concept-Labs: Naked Stores mit ausschließlich unverpackten Produkten, ein Badebomben-Store, die Parfümbibliothek, die Spas, ein Fresh-and-Flowers-Store.
Seit 2008 bei Lush im Property-Management, ist Paul Wheatley heute für die weltweite Expansion der innovativen Store-Formate auf High Streets und in Malls verantwortlich.
Das Interview führte Konny Scholz.
Mit freundlicher Genehmigung von stores + shops