Interview: Das ungenutzte Potential von Retouren

Anja BorbergGeschätzte Lesedauer: 6 Minuten

Retouren gehören zu den größten Herausforderungen im E-Commerce – sie sind aufwendig, kostspielig und oft lästig. Doch mit einem optimierten Retourenmanagement und den richtigen Tools lassen sich wertvolle Daten gewinnen, die helfen, die Retourenquote zu senken. Im Interview gibt Alena Schneck vom Start-up toern spannende Einblicke und zeigt, welche Maßnahmen wirklich wirken. 

Bei diesen Maßnahmen spielen Begriffe wie Retourenquote, Retourenkosten, Strategien der Retourenvermeidung, die Wiederverwendbarkeit retournierter Artikel und ein effizientes Retourenmanagement eine Rolle. Ein häufiger Fehler ist, Retouren nur als Kostenfaktor zu betrachten und nicht als wertvolle Datenquelle. Denn wer Retourengründe analysiert, kann gezielt Maßnahmen zur Reduzierung der Rücksendungen treffen und nutzt zusätzlich einen wertvollen Touchpoint zu seinen Kund:innen. Auch fehlende Automatisierung führt oft zu Ineffizienzen. Ein digitales Retourenportal kann hier eine große Entlastung bringen und Ressourcen sparen.

Persönlicher Einstieg

Alena, was hat dich inspiriert, toern zu gründen und dich auf das Thema Retourenmanagement zu spezialisieren?

Retouren sind ein riesiges Problem im E-Commerce – sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch. Ich habe durch meine Erfahrungen in der Modebranche bei Marken wie Tom Tailor, Sanetta und Marc Cain gesehen, wie ineffizient Retouren oft gehandhabt werden und welche Kosten sie verursachen. Gleichzeitig gibt es viel ungenutztes Potenzial: Retouren sind wertvolle Datenquellen und bieten die Möglichkeit, Prozesse und Kundenbindung nachhaltig zu verbessern. Das hat mich dazu inspiriert, mit toern eine Lösung zu entwickeln, die Retouren nicht nur reduziert, sondern sie in Chancen verwandelt.

Das toern-Team rund um Alena Schneck und Jonas Zeuner in Hamburg. Das E-Commerce Unternehmen hat sich auf eine smarte All-in-One-Lösung für automatisierte Retourenprozesse spezialisiert.
Das toern-Team rund um Alena Schneck und Jonas Zeuner in Hamburg. Das E-Commerce Unternehmen hat sich auf eine smarte All-in-One-Lösung für automatisierte Retourenprozesse spezialisiert.

Welche Erfahrungen haben dich besonders geprägt, um ein so innovatives Konzept wie toern zu entwickeln?

Meine Zeit bei Flink hat mich nachhaltig geprägt. Dort habe ich gesehen, wie wichtig datengetriebene Entscheidungen und effiziente Prozesse sind und wie viel ich mit einem starken Team bewegen kann. Hinzu kam die Erfahrung aus der Textilbranche – denn gerade im Onlinehandel gibt es oft blinde Flecken, weil Retourenmanagement als notwendiges Übel betrachtet wird. Ich habe verstanden, dass eine datenbasierte Herangehensweise echte Wettbewerbsvorteile bringen kann – und genau das setzen wir mit toern um.

Kannst du uns ein konkretes Beispiel nennen, wie toern einem kleinen Händler bzw. Händlerin geholfen hat, das Retourenmanagement zu verbessern?

Ja, Sorbas Shoes, die mit Hilfe unseres Feedbacks ihre Produkte und Retourenwege optimieren konnten. Durch unser Retourenportal und die KI-gestützte Analyse haben wir festgestellt, dass die Passform eines bestimmten Schuhmodells nicht optimal war. Dieses Feedback ermöglichte es dem Unternehmen, die nächste Kollektion entsprechend anzupassen und so die Retourenquote signifikant zu senken.

Herausforderungen im Retourenmanagement

Warum ist das Retourenmanagement gerade für kleine und mittlere Unternehmen so herausfordernd?

KMU haben oft nicht die IT-Ressourcen, um Retourenprozesse effizient zu optimieren. Somit sind derzeit viele Abläufe sehr manuell, zeitaufwendig und kostenintensiv, was die Kundenzufriedenheit beeinträchtigen kann. Damit fehlt vielen KMU der Zugang zu Datenanalysen, die wertvolle Erkenntnisse liefern könnten, um ihre Prozesse zu optimieren.

Hast du ein Beispiel für einen häufigen Fehler im Retourenmanagement und wie er gelöst wurde?

Auf jeden Fall, das ist die unzureichende Analyse von Retourengründen. Stellt Euch vor, dass ein Kunde ein Produkt mehrfach zurückschickt, weil die Passform nicht wie erwartet war. Mit unserer KI-gestützten Analyse können wir feststellen, dass eine verbesserte Größentabelle und genauere Produktbeschreibungen dieses Problem lösen würden.

Wie können Händler:innen die Balance zwischen Kundenzufriedenheit und Kostenkontrolle im Retourenprozess finden?

Indem sie einen smarten und kundenfreundlichen Einkaufs- und Retourenprozess etablieren. Klare Produktinformationen und transparente Kommunikation auf der Produktdetailseite reduzieren vorab unnötige Retouren. Gleichzeitig hilft nachgelagert eine intelligente Automatisierung durch ein Retourenportal, Kosten zu sparen und gleichzeitig ein positives Einkaufserlebnis zu gewährleisten.

Herausforderung: Retourenquoten reduzieren.
Herausforderung: Retourenquoten reduzieren.

Nachhaltigkeit und Innovation

Euer Konzept setzt auf Nachhaltigkeit, indem Retouren direkt an andere Kund:inen weitergeleitet werden. Kannst du uns erklären, wie das genau funktioniert?

Jeder Partner startet bei uns mit dem Retourenportal, denn nur mit einer digitalen Grundlage lassen sich Retourendaten sinnvoll analysieren und innovative Lösungen umsetzen. Erst durch die gesammelten Erkenntnisse aus dem Retourenportal können wir Potenziale identifizieren und innovative Prozesse wie unser Peer-to-Peer-Feature aktivieren. Dabei analysieren wir Retourengründe und prüfen, ob ein Produkt direkt an eine andere Person weitergeleitet werden kann. So reduzieren wir unnötige Transportwege, senken Kosten und verringern CO₂-Emissionen.

Glaubst du, dass Konsument:innen bereit sind, solche nachhaltigen Modelle anzunehmen? Welche Trends beobachtest du in diesem Bereich?

Ja, definitiv! Bereits jetzt gibt es viele Peer-to-Peer-Konzepte wie eBay, Vinted, Faircado und andere Plattformen, die zeigen, dass Konsumenten zunehmend auf nachhaltige Lösungen setzen. Wir beobachten einen klaren Trend zu Second-Life-Produkten und bewusstem Konsum.

Kannst du ein Beispiel für ein kleines Unternehmen nennen, das besonders erfolgreich nachhaltige Retourenlösungen implementiert hat?

Unsere Partner Sorbas Shoes und Montreet setzen gezielt auf nachhaltige Retourenlösungen, indem sie unsere Datenanalysen nutzen, um ihre Produkte und Prozesse kontinuierlich zu optimieren. Durch die Auswertung von Retourengründen können sie nicht nur Rücksendungen reduzieren, sondern auch gezielt unser Peer-to-Peer-Feature einsetzen, um Retouren direkt an neue Käufer weiterzuleiten. So sparen sie Kosten, minimieren Transportwege und verbessern gleichzeitig ihr Kundenerlebnis.

Welche Rolle spielt Technologie bei der Optimierung von Retourenprozessen?

Technologie ist der Schlüssel zur echten Optimierung – ohne Datenanalyse bleibt Retourenmanagement reaktiv statt vorausschauend. Unsere KI-gestützten Analysen ermöglichen es Händler:innen, Retourengründe präzise zu verstehen und daraus konkrete Maßnahmen abzuleiten. Nur durch den Einsatz intelligenter Systeme lassen sich Retourenquoten gezielt senken und nachhaltige Lösungen implementieren. Kurz gesagt: Ohne Technologie gibt es keine echte Verbesserung.

– So funktioniert der automatisierte Retourenprozess –

Die Software ermöglicht es, Rücksendungen direkt an die nächste Kundschaft zu senden, wodurch Transportrouten verkürzt und Verpackungsmüll vermieden werden.

Praktische Tipps für KMU: Was können kleine Händler:innen konkret tun, um ihre Retourenquote zu senken?

Detaillierte Produktbeschreibungen und präzisere Größentabellen sind essenziell, um Fehlkäufe zu vermeiden. Aus unserer Perspektive liegt jedoch der wichtigste Hebel in der aktiven Nutzung von Retourendaten: Händler sollten Retourengründe nicht nur analysieren, sondern sie auch als wertvollen Touchpoint für ihre Kunden nutzen. Indem sie gezielt auf Rückmeldungen eingehen, Produktmängel frühzeitig beheben und ihre Kommunikation optimieren, können sie nicht nur die Retourenquote senken, sondern auch die Kundenzufriedenheit und -bindung nachhaltig stärken.

Hast du ein Beispiel für eine einfache, aber effektive Maßnahme, die ein kleiner Onlineshop umsetzen könnte?

Die konsequente Analyse von Retourengründen ist einer der effektivsten Hebel. Wenn Händler systematisch auswerten, warum Kunden Produkte zurücksenden, können sie gezielt Optimierungen vornehmen – sei es durch Anpassungen an der Produktbeschreibung, bessere Materialhinweise oder klare Größenempfehlungen. Retourengründe sollten nicht nur als Problem, sondern als wertvolle Erkenntnisquelle genutzt werden, um das Einkaufserlebnis kontinuierlich zu verbessern und zukünftige Retouren zu vermeiden.

Gibt es rechtliche Aspekte, die KMU beim Retourenmanagement besonders beachten sollten und erinnerst Du Dich an einen rechtlichen Fallstrick?

Ja, insbesondere das Widerrufsrecht im Onlinehandel. Viele KMU haben keine klar definierten Retourenrichtlinien, was zu Streitigkeiten mit Kunden führen kann. Ja, ich weiß, dass ein Händler unklare Fristen für die Rückerstattung gesetzt hatte. Kunden haben sich beschwert, was zu Abmahnungen führte. Klare AGBs helfen hier, Missverständnisse zu vermeiden.

Zukunftsausblick und persönlicher Abschluss

Welche Entwicklungen erwartest du in den nächsten fünf Jahren?

In den nächsten fünf Jahren wird das Retourenmanagement deutlich intelligenter, automatisierter und nachhaltiger werden. KI-gestützte Systeme werden Retourengründe in Echtzeit auswerten und Händlern proaktiv Vorschläge zur Reduzierung von Rücksendungen liefern. Peer-to-Peer-Weiterleitungen werden sich weiter etablieren, sodass viele Produkte gar nicht mehr den Umweg über das Lager nehmen müssen. Zudem wird sich die Rolle der Retoure verändern: Händler werden Retourendaten noch stärker nutzen, um Produktentwicklung, Logistik und Kundenkommunikation zu optimieren. Nachhaltigkeit wird dabei nicht mehr nur ein optionaler Zusatz sein, sondern ein zentrales Kriterium für effizientes Retourenmanagement. Wer frühzeitig auf datenbasierte Lösungen setzt, wird langfristig wettbewerbsfähig bleiben.

Kannst du ein innovatives Beispiel nennen, wie Retourenmanagement in Zukunft aussehen könnte?

Zukunftsweisendes Retourenmanagement kann Retouren vorhersagen und automatisch den besten Weg zur Weiterverarbeitung wählen. KI-Systeme analysieren Kundenverhalten und Rücksendegeschichte, um Produkte gezielt an den nächsten Käufer oder in nachhaltige Kreisläufe wie Faserrecycling zu leiten. So werden Retouren effizient genutzt, Kosten gesenkt und CO₂-Emissionen reduziert, während der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft gefördert wird.

Alena, wie verbindet man sich als Händler:in mit toern und welche Kosten kommen dabei auf einen zu?

Unsere Lösung ist die für eine monatliche Softwaregebühr. Diese ist davon abhängig, wie hoch das Retourenvolumen der Partnershops ist. Die Preise richten sich dann nach der Nutzung und dem Einsatz optionaler Features. Die Anbindung funktioniert ganz einfach per API, so dass eine Implementierung, beispielsweise mit Shopify, innerhalb von einer Stunde erledigt ist.

Zum Abschluss: Was treibt dich persönlich an, weiterhin innovative Lösungen in diesem Bereich zu entwickeln?

Mich motiviert die Tatsache, dass in diesem oft vernachlässigten Bereich enormes Potenzial steckt. Retourenmanagement wird häufig als lästige Pflicht betrachtet, dabei gibt es unzählige Möglichkeiten, es innovativer und effizienter zu gestalten. Diese Herausforderung anzupacken und Lösungen mit unserem Team zu entwickeln, die echten Mehrwert schaffen, treibt mich jeden Tag an.

Danke Dir Alena für Deine Zeit! Alles Gute für Dich und toern!

Das Ziel des Unternehmens: Retouren nachhaltiger und effizienter gestalten.
Das Ziel des Unternehmens: Retouren nachhaltiger und effizienter gestalten.

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