Die Stadtretter als Best-Practice-Netzwerk für Deutschland

Judith HellhakeGeschätzte Lesedauer: 3 Minuten

Gemeinsam anpacken und gestalten! Das ist der Grundgedanke des Netzwerks „Stadtretter“. Judith Hellhake hat mit Boris Hedde über die Ziele dieser Initiative gesprochen und erfahren, weshalb der deutschlandweite Erfahrungsaustausch von Städten und Kommunen nie wertvoller war als heute.

Judith Hellhake: Lieber Boris, ich freue mich, dass wir heute über eine brandneue Netzwerk-Plattform sprechen können, die zur Unterstützung von Städten und Kommunen ins Leben gerufen wurden: Die Stadtretter. Die Idee dahinter steht bereits im Namen, aber warum ist gerade jetzt die Rettung der Städte ein wichtiges Thema?

Boris Hedde: Spätestens mit dem durch COVID-19 erfolgtem Shutdown offenbarte sich die Herausforderung von Städten und Kommunen bezüglich Lösungsansätzen rund um die Entwicklung und Belebung von Standorten. Auch in einem aktuellen Projekt, bei dem wir Wirtschaftsförderungen interviewen, wurde der Wunsch in Richtung Vernetzung und dem Austausch von Best Practices zum Ausdruck gebracht. Hier setzt auch „Stadtretter“ an. Eine digitale, bundesweite Vernetzungsplattform soll lokal Verantwortlichen helfen, Praxisbeispiele kennenzulernen und zielgerichtet Wissenstransfer ermöglichen. Denn jetzt gilt es, kooperativ und ganzheitlich Innenstädte zu stärken und vor allem den lokalen Einzelhandel zu retten.

Judith Hellhake: Der Aspekt positiver Praxisbeispiele und das Lernen von Anderen scheint eine große Rolle zu spielen. Inwieweit funktioniert das denn überhaupt? Hat nicht jeder Standort eigene Herausforderungen, Besonderheiten und somit auch individuelle Handlungsnöte?

Boris Hedde: Voneinander zu lernen, heißt zum einen erfolgreiche Ansätze als externe Impulse für die eigene Strategie zu nutzen. Zum anderen heißt es auch, die Wiederholung gleicher Fehler an anderen Standorten zu vermeiden. Auf der Plattform Stadtretter sollen deshalb Projektbeispiele präsentiert werden. Dabei stehen die Herangehensweise, die Umsetzung und die zu lösenden Anforderungen gleichermaßen im Fokus und Praxisbeispiele können als Impulse angesehen werden. Um diese dann auf den eigenen Standort übertragen zu können, bedürfen sie sicherlich immer einer Adaption, denn Besucheransprüche und strukturelle Gegebenheiten vor Ort sind natürlich unterschiedlich. Der Ansatz hilft zudem sowohl bei der Ideenfindung für die örtliche Strategie als auch bei der Argumentationslinie für die lokalen Akteure. Erfahrungsgemäß ist die Überzeugungsarbeit oftmals arbeitsintensiver als die Umsetzung selber.

Judith Hellhake: Notstand ist ein sehr drastisches Wort. Aber dennoch interessiert mich: Würdest du die aktuelle Situation in der deutschen Handelswelt als einen solchen beschreiben? Welche Herausforderungen schmerzen derzeit besonders?

Boris Hedde: Es ist tatsächlich ein drastisches Wort. Und eine pauschale Antwort wäre sicher nicht richtig. Es sind nicht nur Sortimente und Kanäle zu differenzieren, sondern auch ganze Handelskonzepte. Je nach lokaler Gegebenheit und Kategorie sind diese zu unterscheiden. Es gibt tatsächlich auch vereinzelt Gewinner. In der Mehrzahl haben es die Unternehmen aber naturgemäß aktuell sehr schwer. Besonders auffällig ist auch die generelle Konsumzurückhaltung. Sie ist spür–und messbar. Darüber hinaus ist der Einkaufsprozess mit den gesundheitlich notwendigen Abstands- und Hygieneregeln aktuell eine Shoppingbarriere. 

Judith Hellhake: Viele Standorte geraten gerade jetzt in Zeiten der Coronakrise besonders ins Schwanken. Denkst du, dass dieser Weckruf auch ein Stück weit notwendig war, um Umdenken anzustoßen? Erkennst du hier in der Zusammenarbeit mit Dritten ein „neues Mindset“? Was sollte sich verändern?

Boris Hedde: Wenn man es sich wünschen könnte, hätte es Corona sicher nie gegeben. Da die Pandemie aber da ist, zwingt sie natürlicherweise zum Umdenken oder bestärkt das Umdenken an vielen Standorten. Gleichwohl bin ich der Überzeugung, dass es in puncto Veränderungsbedarf – übrigens auch vorher – nicht nur auf Sensibilisierung ankommt. Handlungsbedarf wegen Strukturwandel und Digitalisierung sind landläufig bekannt – auch schon vor Corona. Vielmehr liegt das Fragezeichen bei dem WIE? Hier braucht es noch mehr Qualifizierung, Pilotprojekte und Gemeinschaftssinn. Aus einer lokalen Gemeinschaftlich heraus ergeben sich hingegen lokal neue, andere Potenziale und Skaleneffekte. Ich bin zudem auch überzeugt davon, dass kleine positive Ergebnisse weitere Motivation zur lokalen Mitwirkung auslösen. Wir müssen gewissermaßen ein Schwungrad in Gang bekommen.

Judith Hellhake: Und welchen Beitrag leisten die Stadtretter hier? Beschreibe gerne einmal die konkrete Rolle und auch die Anforderungen, die ihr an euch selbst stellt.

Boris Hedde: Die Netzwerkplattform Stadtretter bündelt Kompetenzen und schafft ein Umfeld für Information, zielgerichteten Wissenstransfer und bundesweit vernetzte Projektkooperation. Zur Stärkung der Innenstädte und zur Rettung des Einzelhandels auf kommunaler Ebene sollen Erfahrungen geteilt, Redundanzen vermieden und Synergien identifiziert werden. Im Ergebnis und digital unterstützt soll es so für lokal Verantwortliche einfacher werden, vor Ort Handelsstrategien zu starten, zu stärken und zu optimieren. Gleichzeitig wird Orientierung gegeben, welche Partner auf dem Weg unterstützen können.

Judith Hellhake: Wenn du ein konkretes Ziel ausrufen solltest für ein Ergebnis der Initiative „Stadtretter“ in 12 Monaten. Wie würde dieses aussehen?

Boris Hedde: Verantwortliche aus Städten, die ihre Standorte erfolgreich in die Zukunft führen möchten, finden auf der Plattform wertige Insights und Werkzeuge für die Operationalisierung. Dienstleistungsunternehmen präsentieren erfolgreiche und innovative Konzepte. Gemeinsam wird so ein Ökosystem geschaffen, bei dem sich Angebot und Nachfrage gegenseitig bestärken und das in 12 Monaten an ersten Standorten erfolgreiche Implementierung von Maßnahmen zur Folge hat.

Judith Hellhake: Danke, Boris. Wir werden die Aktivitäten aufmerksam verfolgen und freuen uns darauf, spannende Zwischenergebnisse dieser Arbeit zukünftig mit dir beleuchten zu können.

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