Die Zukunft des Modehandels: Erlebnis mit Augenmaß

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Das vergangene Jahr war für den Modehandel dramatisch. Im zweiten Lockdown setzte sich die negative Entwicklung fort, 2021 kann für manchen stationären Modehändler zum Schicksalsjahr werden. Die Verantwortlichen von Leitbildhäusern berichten, wie sie sich in dieser Situation für die Zukunft fit machen.

Während der Einzelhandel insgesamt ein Plus von fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr erzielte, schloss der Textilhandel 2020 mit einem Minus von knapp 25 Prozent ab. Und während im Jahr eins der Pandemie der Lebensmittelhandel boomte, der Online-Handel gut 20 Prozent zulegte und auch die Möbelbranche und Baumärkte ein gutes Geschäft machten (Quelle: HDE), staute sich in den Modeläden die Winterware auf den Flächen. Ein Ende der Talsohle ist noch nicht abzusehen. Dennoch mussten sie bereits ihre Aufträge für die kommende Wintersaison schreiben. Haben sie dabei etwas grundsätzlich anders gemacht? „Wir haben die Warenmenge deutlich reduziert“, sagt Johannes Huber, Inhaber von Garhammer in Waldkirchen, stellvertretend für das Gros der Branche. Doch wie soll es darüber hinaus weitergehen?

Für Ellen Wigner ist die Aufgabenstellung für die kommenden Monate klar: „Wir wollen unserer Kundschaft in der Krise Halt und Orientierung geben“, so Wigner, die gemeinsam mit ihrem Mann Eberhard das Zirndorfer Fashion- und Lifestyle-Haus „Erlebe Wigner“ führt, das sich mit seinem Kultur- und Eventprogramm einen Namen weit über die Region hinaus gemacht hat. Zwar wissen die Wigners noch nicht, wie sie die Krise überstehen. „Aber wir werden sie überstehen!“

Trotz aller Unwägbarkeiten ist Larmoyanz nicht ihre Sache. Lieber entwickeln sie Konzepte, die auf ihren Markenkern als „Lieblingsort auf Zeit“ einzahlen und gleichzeitig den Anforderungen der Pandemie Rechnung tragen. Großveranstaltungen gehören der Vergangenheit an? Dann gelte es eben, Ideen für kleinere Formate zu entwickeln, die nach allen Regeln der Pandemieumgesetzt werden können. Fashion steht derzeit nicht im Fokus der Verbraucher:innen? Dann müsse man eben neue Wege finden, um die Mode einzubetten in ein Konstrukt aus „kleineren Events mit hoher Begehrlichkeit“.

Denn dass Entertainment und Gastronomie unverzichtbar sind, steht für Wigners außer Frage. Schließlich sind es genau diese Elemente, die ihr Unternehmen ausmachen – auch wenn „sie alle letztendlich dazu dienen, Ware zu verkaufen“, sagt Ellen Wigner. Daher „werden wir diesen Weg konsequent weiter gehen“. Und das Restaurant, das zwischen den beiden Lockdowns bereits vergrößert wurde, und das „in der Vergangenheit unser Wachstumstreiber war, wird auch weiterhin der Motor sein“.

Gastronomie ist unverzichtbar

Denn Essen und Trinken gehörten zu einem multisensorischen Kauferlebnis nun einmal dazu. Nachdem die Menschen diese umfassende Erfahrung beim Shopping so lange missen mussten, „werden sie nach dem zweiten Lockdown eine viel höhere Wertschätzung dafür haben, bummeln zu gehen, beraten zu werden und mit allen Sinnen einzukaufen“, ist Christian Rugen überzeugt, Geschäftsführer von CJ Schmidt in Husum. Daher „wollen wir auch in Zukunft 95 Prozent unserer Umsätze stationär realisieren“. Um trotz reduzierten Warenvolumens die Umsätze halten zu können, „müssen wir jedoch deutlich effektiver mit Ware umgehen“, erläutert Rugen. Das heißt: „Noch mehr Inszenierung, noch mehr Analyse pro Artikel.“

Den seit zweieinhalb Jahren betriebenen Onlineshop will er parallel dazu weiter vorantreiben und in Kürze auch Kindermode online anbieten. Insgesamt sollen in Zukunft rund die Hälfte der vorgehaltenen Artikel, das sind knapp 50.000, online zu haben sein. „Allerdings muss die virtuelle mit der stationären Schiene perfekt verzahnt werden“, sagt Rugen, „denn die Krise hat gezeigt, dass viele Menschen zwar online gucken, aber stationär kaufen wollen.“ Grundsätzlich ist der Onlineshop für CJ Schmidt mit seinem 75-prozentigen Anteil Stammklientel, die auch von weither und den nordfriesischen Inseln zum Einkaufen kommt, ein wichtiges Marketing-Tool, das „es uns ermöglicht, das ganze Jahr über mit unserer Kundschaft in Kontakt zu sein“, erklärt Christian Rugen, „daher wollen wir die maßgebliche Online-Adresse in Schleswig-Holstein sein“.

Auch das im März letzten Jahres gestartete Online-Geschäft von Lengermann + Trieschmann ist in der Pandemie „enorm gewachsen“, so Geschäftsführer Thomas Ganter. Außerdem nutzt L+T wie viele andere Händler Messenger- und Social Media-Kanäle, um mit der Zielgruppe zu kommunizieren, sie zu beraten und Ware zu verkaufen. „Die Kundinnen und Kunden haben sich an diese Services gewöhnt, daher kann man sie ihnen natürlich nicht wieder wegnehmen“, so Thomas Ganter. „Das stationäre Geschäft wird auch in Zukunft mit neuen Kanälen angereichert werden.“

Dass es künftig nicht mehr ohne Onlineshop geht, „diese Erkenntnis ist auch bei uns gereift“, bestätigt Jens Ristedt, Inhaber des gleichnamigen Modehauses in Bremen. Im Laufe der kommenden Monate soll die Plattform stehen. Zielsetzung ist dabei, sich „mit dem richtigen Online-Sortiment von den großen Mitbewerbern abzuheben und sich als regionaler Online-Anbieter zu profilieren“. Parallel dazu gilt es, neue Konzepte für die luftiger gewordenen Flächen zu finden, die künftig noch mehr Raum für Inszenierung und Komfort bieten sollen.

Begegnung möglich machen

„Auch in Zukunft müssen Flächen Begegnungsstätten sein“, ist sich Oliver Juhasz von Juhasz Mode & Genuss in Bad Reichenhall sicher, „denn der Mensch ist und bleibt ein analoges Wesen.“ Zwar nutzt auch Juhasz Onlinetools, doch „unsere Stärke sind das Persönliche, die Begegnung, das Erlebnis“. Auf Multifunktionsflächen will er „alle zwei Wochen ein kleines Event“ veranstalten, von Kleinkunst über den Töpferkurs bis zur Vernissage. „Wir wollen den Erlebnisfaktor unterstreichen, gleichzeitig aber auch die Beratungsqualität und das Personal-Shopping-Angebot weiter stärken.“

Denn letztendlich geht es auch bei Juhasz um den Verkauf von Fashion; und dass „die Leute künftig noch mehr Lust auf Mode haben werden, davon bin ich überzeugt“, sagt Oliver Juhasz. Wird der Modehandel dabei weiterhin auf lässige, bequeme Mode setzen? „Wir haben die Casual-Styles in den letzten Monaten zwar stark forciert“, berichtet Johannes Huber, „aber wir glauben fest daran, dass der Wunsch, wieder auf Bälle und Hochzeiten zu gehen, riesig ist.“ Und dafür will man sich schön machen. Aber: „Das Home-Office wird es auch nach Corona geben“, glaubt Huber, „daher bleibt uns der Casual-Look mit Sicherheit erhalten.“

Der Beitrag wurde von Annette Gilles verfasst.
Mit freundlicher Genehmigung von stores+shops