Interview: Logistik im Wandel – Digitalisierung, KI und Nachhaltigkeit

Anja BorbergGeschätzte Lesedauer: 4 Minuten

Niklas Stanislawski, Logistikexperte beim EHI, spricht im Interview über die Themen der Branche. Auch die Logistik ist im Wandel. Im Mittelpunkt stehen digitale Innovationen, mit denen Handelsunternehmen Prozesse optimieren, Kosten senken und nachhaltiger wirtschaften können. Niklas verweist auf praxisnahe Impulse für eine zukunftsorientierte Handelslogistik.

Digitalisierung in der Logistik – pragmatisch und mit Potenzial

Anja: Hallo Niklas, schön, dass du dir die Zeit genommen hast! Die Logistikbranche verändert sich rasant. Lass uns direkt einsteigen: Welchen Einfluss nimmt die fortschreitende Digitalisierung auf die unterschiedlichen Logistikprozesse, besonders für kleinere und mittlere Händler:innen? Welche Themen und Entwicklungen sollten unsere Leser:innen im Blick behalten?

Niklas: Hallo Anja, na klar gerne! Digitalisierung ist ein riesiges Thema, aber für KMU lässt es sich oft recht pragmatisch angehen. Prozesse wie Lagerhaltung, Versand oder Bestandsverwaltung können durch digitale Tools effizienter und transparenter gestaltet werden – vorausgesetzt, die Systeme sind gut integriert und die Partner ziehen mit. Ein Beispiel wäre einheitliche Softwarelösungen, die CRM-, WMS- und ERP-Systeme verknüpfen.

Besonders spannend finde ich auch den Einsatz von Transportmanagementsystemen (TMS), die Echtzeitdaten nutzen, um Wartezeiten oder Verzögerungen zu minimieren. Kommt es zu Verzögerungen, dann kann die Anlieferung eventuell erst später erfolgen, was zusätzliche Zeit und Kosten verursacht. Aber ehrlich gesagt: Viele KMU könnten schon von der Digitalisierung grundlegender analoger Dokumente, wie Lieferscheinen oder lokalen Excel-Listen profitieren.

Künstliche Intelligenz – Chancen für bessere Planung und Kommunikation

Anja: Das klingt nach viel Potenzial! Ein weiteres großes Thema ist die Künstliche Intelligenz. Wie kann KI in der Logistik eingesetzt werden – gerade auch für kleinere Unternehmen?

Niklas: KI ist ein echter Gamechanger in der Logistik. Sie hilft bei Nachfrageprognosen, automatisiertem Bestandsmanagement und der Routenoptimierung. Für KMU sind SaaS-Lösungen interessant, da eigene Entwicklungen oft unrealistisch sind. Predictive Analytics ist hier ein gutes Beispiel: Mit vorhandenen Daten lassen sich saisonale Schwankungen besser planen. Auch Chatbots können in der Kommunikation der operativen Logistik unterstützen. Wichtig ist aber, dass die Stammdaten sauber sind – ohne gute Datenbasis bringt selbst die beste KI nichts.

Cybersecurity – die unterschätzte Grundlage digitaler Logistik

Anja: Absolut nachvollziehbar! Aber mit Digitalisierung kommt auch das Thema Cybersecurity ins Spiel. Wie wichtig ist das in der Logistik und was sollten Unternehmen beachten?

Niklas: Cybersecurity ist essenziell. Hackerangriffe können ganze Lieferketten lahmlegen – das kann richtig teuer werden. Grundsätzlich sollten Unternehmen ihre IT-Infrastruktur regelmäßig prüfen lassen und Basismaßnahmen wie Firewalls, Backups und Zwei-Faktor-Authentifizierung umsetzen. Aber auch die Mitarbeitenden müssen geschult werden – oft ist der Mensch das größte Sicherheitsrisiko. Ein Notfallplan für den Ernstfall kann ebenfalls nicht schaden.

Automatisierung – Schritt für Schritt statt All-in

Anja: Sehr wichtig sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, bevor es zu spät ist! Man denkt immer, das betrifft uns nicht und doch gibt es schon so viele Unternehmen, die nahezu ausgenockt wurden. Kommen wir zur Automatisierung: Welche Möglichkeiten gibt es hier für KMU, und wie können sie schrittweise vorgehen?

Niklas: Automatisierung ist spannend, aber man sollte klein anfangen – vor allem, weil sie kostenintensiv sein kann. Es macht Sinn, erst einmal interne Prozesse zu optimieren, bevor man automatisiert. Sonst digitalisiert man nur schlechte Abläufe. Ein Beispiel dafür wäre das Prinzip „Ware zum Mann“, um Wege im Lager zu reduzieren. Vollautomatisierung klingt zwar verlockend, ist aber selten realistisch – punktuelle Automatisierung ist gerade für KMU oft effektiver.

Fachkräftemangel – neue Wege zur Mitarbeiterbindung

Anja: Eine weitere Herausforderung – auch in der Logistikbranche – ist der Fachkräftemangel. Was können KMU tun, um dem entgegenzuwirken?

Niklas: Der Fachkräftemangel betrifft sowohl operative Bereiche als auch IT- und Planungsfunktionen. KMU stehen hier im Wettbewerb mit großen Playern, was schwierig sein kann. Flexible Arbeitszeiten oder Weiterbildungsmöglichkeiten sind Möglichkeiten, um zu punkten. Employer Branding ist auch wichtig – gerade regional können kleinere Unternehmen durch Nähe und Verbundenheit überzeugen. Partnerschaften mit Schulen oder Bildungseinrichtungen helfen ebenfalls dabei den Nachwuchs zu sichern.

Nachhaltigkeit in der Logistik – kleine Schritte, große Wirkung

Anja: Gute Ansätze! Zum Schluss noch ein Blick auf Nachhaltigkeit: Welche umweltfreundlichen Lösungen empfiehlst du für KMU?

Niklas: Nachhaltigkeit fängt bei kleinen Schritten an: Ökostrom im Lager, nachhaltige Verpackungen oder Routenoptimierung zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs sind gute Ansätze. Auch E-Fahrzeuge oder Lastenräder für urbane Lieferungen auf der letzten Meile werden immer relevanter. Wichtig ist hier ein Umdenken auf allen Ebenen – Nachhaltigkeit muss Teil der Unternehmenskultur werden.

Anja: Danke dir, Niklas! Das war super informativ.
Niklas: Danke dir, Anja! Hat Spaß gemacht – bis bald!

Fazit: Digitalisierung als Chance für KMU in der Logistik

Durchaus profitieren kleine und mittlere Handelsunternehmen von den aktuellen Entwicklungen in der Logistik. Digitale Tools ermöglichen es ihnen, Prozesse effizienter zu gestalten, Kosten zu senken und gleichzeitig nachhaltiger zu agieren.

Ob, die Digitalisierung von Dokumenten, der Einsatz von KI zur besseren Planbarkeit, punktuelle Automatisierung oder pragmatische Maßnahmen zur Nachhaltigkeit – KMU können Schritt für Schritt große Wirkung erzielen.

Dabei gilt: Es braucht keine riesigen Investitionen, sondern Mut zum Anfangen, Offenheit für Innovation und ein gutes Netzwerk an Partnern. So wird auch der Mittelstand zukunfts- und wettbewerbsfähig.

Glossar

Von A bis Z: In unserem Glossar erklären wir die Fachbegriffe, die in diesem Interview vorkommen.

Business-to-Business, Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen.

Business-to-Consumer, Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen und Endverbrauchern.

Computerprogramme, die in der Lage sind, sich in natürlicher Sprache mit Menschen zu unterhalten, oft zur Beantwortung von Kundenanfragen.

Strategien und Technologien, die Unternehmen nutzen, um Kundenbeziehungen zu verwalten und zu analysieren.

Maßnahmen zum Schutz von Computersystemen und Netzwerken vor unbefugtem Zugriff, Beschädigung oder Diebstahl.

Umwandlung analoger Prozesse und Informationen in digitale Formate, um Effizienz und Transparenz zu steigern.

Elektrofahrzeuge, die mit Strom betrieben werden.

Maßnahmen zur Positionierung eines Unternehmens als attraktiver Arbeitgeber, um Fachkräfte anzuziehen und zu binden.

Integrierte Softwarelösung, die verschiedene Geschäftsbereiche wie Finanzen, Personalwesen und Logistik miteinander verbindet.

Sicherheitsysteme, die den Netzwerkverkehr überwachen und unbefugten Zugriff blockieren.

Eine grundlegende Veränderung, die eine Situation oder Branche revolutioniert.

Technologie, die es Computern ermöglicht, Aufgaben auszuführen, die normalerweise menschliche Intelligenz erfordern, wie z.B. Lernen, Problemlösen und Entscheidungsfindung.

Kleine und mittlere Unternehmen.

Nutzung von Daten, statistischen Algorithmen und Machine-Learning-Techniken, um zukünftige Ergebnisse vorherzusagen.

Ein Software-Lizenzmodell, bei dem die Software über das Internet bereitgestellt und genutzt wird.

System zur Planung, Durchführung und Überwachung von Transportprozessen.

Software zur Verwaltung und Optimierung von Lagerprozessen.

Sicherheitsverfahren, das zusätzlich zum Passwort einen zweiten Authentifizierungsfaktor (z.B. einen Code per SMS) erfordert.