Die Qual der Wahl: Wie findet man das passende Warenwirtschaftssystem?

Das Mittelstand-Digital Zentrum Handel ausgesuchte Händler bei der Digitalisierung und Geschäftsmodellentwicklung. Ziel der Digitalisierungsprojekte ist es, beispielhaft zu zeigen, wie Betriebe sich strategisch und zukunftsweisend weiterentwickeln und digitalisieren können.

Viele Einzelhändler:innen stehen zu irgendeinem Zeitpunkt vor der Herausforderung, das passende Warenwirtschaftssystem zu finden. Hier wird man allerdings auf einen Anbieterüberfluss stoßen, der die Auswahl extrem erschwert. In manchen Fällen kann es im Anschluss sogar dazu kommen, dass die falsche Entscheidung getroffen wurde und die Arbeitsprozesse zu umfangreich oder nicht ausreichend sind. Damit einhergehend ist natürlich auch der Erfolg des Unternehmens. Ähnlich erging es dem Händler Thomas Klein, der in Winsen an der Luhe mit seinem Warenwirtschaftssystem aufgrund der Komplexität nicht zufrieden war. Gemeinsam mit dem Team vom Mittelstand-Digital Zentrum Handel sind wir im letzten Artikel den ersten Schritt im Prozess zur Auswahl des passenden Warenwirtschaftssystems gegangen und knüpfen an dieser Stelle daran an.

Im vorherigen Artikel haben wir gemeinsam mit Thomas Klein eine IST-Analyse durchgeführt, die uns gezeigt hat, welche Funktionen seines bestehenden Warenwirtschaftssystems überhaupt notwendig und für sein Unternehmen wichtig sind. Im Anschluss daran wurde ein Kriterienkatalog (oder Lastenheft) erstellt, in dem festgehalten wurde, welche Funktionen für sein Unternehmen unumgänglich sind. Insgesamt wurden folgende Schritte durchgeführt:

  1. IST-Analyse: Was kann mein Warenwirtschaftssystem, was kann es nicht?
  2. Alle Anforderungen in einem Kriterienkatalog (oder Lastenheft) festhalten.
  3. Die Stärken und Schwächen der Unternehmensprozesse herausarbeiten.
  4. Messbare und eindeutige Ziele für die Einführung des Warenwirtschaftssystems festlegen.
  5. Priorisierung der Anforderungen aus dem Lastenheft, die unverzichtbar sind.
  6. Gibt es Empfehlungen bestimmter Softwareanbieter:innen aus der Branche?

Bevor wir zur Auswahl des passenden Systems kommen, möchten wir einen kleinen Überblick zu Warenwirtschaftssystemen geben:

Welche Arten von Warenwirtschaftssystemen gibt es?

Überblick
Offene WarenwirtschaftssystemeDieses Warenwirtschafssystem erfasst nur die Warenein- und ausgänge.
Geschlossene
Warenwirtschafssysteme
Ein geschlossenes System bildet den kompletten Warenkreislauf im Unternehmen ab. Dabei werden sämtliche Bereiche wert- und mengenmäßig erfasst. Der personelle und organisatorische Aufwand ist dementsprechend größer.
Integrierte
Warenwirtschaftssysteme
Das integrierte System besteht aus einem geschlossenen System mit erweiterten Funktionen und Schnittstellen zu operativen Einheiten (wie z.B. Verkaufsstellen).
Mehrstufige
Warenwirtschaftssysteme
Bei einem mehrstufigen System werden Einzel- und Großhandelsstufen mit ihren Wechselwirkungen abgebildet (Zentrale, Filialen und Regionalstellen).

Natürliche gibt es für jede Art auch weitere Unterarten, die sich vor allem in standardisierte (Baukastensysteme) und individualisierte Lösungen aufteilen. Bei den individualisierten Lösungen müssen höhere Kosten eingerechnet werden. Diese lohnen eher nicht für den kleineren Mittelstand. Doch auch bei den standardisierten Warenwirtschaftssystemen gibt es branchenspezifische Lösungen, auf die sich Händler:innen in ihrer Recherche fokussieren sollten. Für kleine Einzelhändler:innen empfehlen sich also offene, standardisierte Systeme, die unter anderem auch die gewünschte Hardware (Kassensysteme, Scanner, etc.) anbieten oder unterstützen, um möglichst schnell den Wechsel oder die Integration des neuen Systems zu gewährleisten.

Thomas Klein, Geschäftsführer Klein´s Weindepot und Team

Unternehmen: Klein´s Weindepot

Mitarbeiter:
2

Filialen:
1

Branche:
Weinfachhandel

Ein kurzer Überblick, wie das Mittelstand-Digital Zentrum Handel den Weinhandel unterstützt:

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Recherche und Auswahl des passenden Warenwirtschafssystems

Der zuvor erstellte Kriterienkatalog dient als Grundlage für die anstehende Recherche. Viele Anbieter geben einen kurzen Überblick über die wesentlichen Funktionen ihrer Systeme. Mithilfe einer Liste können somit Häkchen oder Kreuze für die gewünschten Funktionen, je Anbieter, gesetzt werden.

Für einen generellen Überblick aller wichtigen Anbieter empfiehlt es sich, auf Vergleichsportalen eine engere Auswahl zu treffen. Dabei sollte ebenfalls auf branchenspezifische Anbieter geachtet werden. Nicht jeder Top Anbieter ist auch für die eigene Branche von Nutzen. So auch im Fall von Thomas Klein, der für sein Weindepot nach einem System suchte, das alle Weinkategorien beinhalten sollte. Bei der Recherche wurden folgende Fragestellungen in den Vordergrund gestellt:

  • Ist die Software auf meine Branche spezialisiert?
  • Können die Entwickler:innen gegebenenfalls geeignete Funktionen hinzuzufügen?
  • Lässt sich die Software intuitiv und einfach bedienen?
  • Kann das Warenwirtschaftssystem mit den Zielen des Unternehmens mitwachsen? Ist es möglich Omni-Channel Konzepte zu realisieren?
  • Welche Schnittstellen zu Shopsystemen oder Marktplätzen sind vorhanden? Ist es möglich eine Schnittstelle zu dem oder der Steuerberater:in zu schaffen oder einen oder eine Zwischenhändler:in einzubinden?
  • Unterstützt der Anbieter bei der Implementierung und beim Systemwechsel?
  • Kann das System einen schnellen und reibungslosen Versand sicherstellen, in dem gängige Logistikdienstleister angebunden sind?
  • Werden auch ausländische Märkte unterstützt? Gibt es die benötigten Währungen und ist die Software mehrsprachig vorhanden?
  • Sind die Kauf- oder Abo-Kosten transparent veröffentlicht? Werden auch Kosten für Updates, Support oder gegebenenfalls erforderliche Schulungen angegeben?
  • Gibt es einen Kundensupport und wie ist er erreichbar?

Am Ende der Recherche sollten 3 bis 5 Anbieter in der engeren Auswahl sein. Und auch wenn nicht alle Fragen beantwortet werden konnten, so sollte es immer die Möglichkeit geben, über den Kundensupport offene Fragen zu klären und sich gegebenenfalls ein Angebot zusenden zu lassen. Ist dies nicht der Fall, kann man sich von diesem Anbieter abwenden.

Wenn die Wahl getroffen ist

Gemeinsam mit dem Team des Mittelstand-Digital Zentrum Handel hat sich Thomas Klein für die Branchensoftware EuroSales Vino des Anbieters Eurosoft entschieden. In einer gemeinsamen Kick-Off-Veranstaltung mit einem Vertreter der Software wurden alle wichtigen Funktionen herausgearbeitet und priorisiert, um im Anschluss ein personalisiertes Angebot mit allen Kosten (inkl. Einrichtung, Systemwechsel, Schulung und Schnittstellenentwicklung zum Onlinemarktplatz) erhalten zu können. Die Besonderheit des Projektes lag darin, dass auf die Nutzung eines Onlineshops verzichtet wird und eine direkte Schnittstelle zum Onlinemarktplatz Locamo entwickelt werden sollte. Dieser Bestandteil war einzigartig auf dem deutschen Markt und sollte neue Wege für Warenwirtschaftssysteme aufzeigen. Für die Umstellung des Systems und die erste Schulung wurde Herr Klein vom Eurosoft-Team unterstützt, sodass in wenigen Tagen der komplette Prozess vollzogen war.

Die Herausforderung

Da sich Thomas Klein von seinem alten Warenwirtschaftssystem trennen musste, wurde auch der dazugehörige Onlineshop abgeschaltet. Die Schnittstelle zu seinem Onlinemarktplatz wurde somit gekappt. Damit das Onlinegeschäft nicht zusammenfällt, musste schnell eine manuelle Lösung gefunden werden, die bis zur Fertigstellung der Schnittstelle als Notlösung diente. In einem direkten Austausch mit Locamo und Eurosoft konnte diese Lösung auch schnell gefunden werden. In Zusammenarbeit mit Eurosoft, die bereits das neue System aufgesetzt hatten, wurde eine speziell formatierte Excelliste erstellt, die alle wichtigen Produkte im Onlinemarktplatz enthielt. Diese Warenmenge auf der Liste musste nun einmal täglich manuell von Herrn Klein aktualisiert und auf Locamo hochgeladen werden. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten mit der Formatierung konnte diese Zwischenlösung aber erfolgreich von dem Händler angewandt werden. Nun hieß es nur noch darauf zu warten, dass der Onlinemarktplatz die Schnittstelle zum Warenwirtschaftssystem fertig stellt.

Fazit: Nicht jede Innovation kommt mit einem perfekten Happy End


Ziel des Projektes war es nicht nur, ein passendes Warenwirtschaftssystem zu finden, sondern auch der innovative Ansatz, dass eine direkte Schnittstelle zu einem Onlinemarktplatz geschaffen wird, die einen Onlineshop überflüssig macht. Leider hat uns zum Ende des Projektes mit großer Überraschung die Nachricht erreicht, das Locamo die Insolvenz angemeldet hat. Die Schnittstellenprogrammierung kam zu einem abrupten Stopp und viele Arbeitsleistungen von Eurosoft verliefen somit im Sand. So zeigte sich leider, dass auch die innovativsten Ideen nicht immer die Zielgerade erreichen.

Herr Klein musste sich schlussendlich nun doch wieder für einen eigenen Onlineshop entscheiden. Glücklicherweise bietet Eurosoft ein eigenes Shopsystem an, das problemlos mit dem Warenwirtschaftssystem verknüpft werden kann. So zeigt sich am Ende dennoch, das die Wahl des Anbieters Eurosoft die richtige Entscheidung war, da auch in einer kritischen Situation die Digitalisierungsprozesse des Inhabers weiterhin zukunftssicher aufgestellt sind.

Einblicke in das Projekt

Projektlaufzeit

  • Start

    Das Pilotprojekt startete am 1. Oktober 2021

  • Warenwirtschafts-system IST-Analyse

    Erarbeitung eines Kriterienkatalogs für die Funktionen des Warenwirtschaftssytems.

  • Auswahl des passenden Warenwirtschafts-systems

    Analyse der Auswahlkriterien und Festlegung des Anbieters. Eine direkte Schnittstelle zu einem Online-Marktplatz schaffen.  

Beteiligte Partner / Unternehmen

Klein´s Weindepot
Rathausstr. 46
21423 Winsen

Tel.: 04171 60 47 47
E-Mail: weinklein@t-online.de

gmvteam GmbH (im Auftrag des Mittelstand-Digital Zentrum Handel)
Rather Kirchplatz 11
40472 Düsseldorf

Tel.: 0 211 / 5989 6507
E-Mail: info@gmvteam.de