Wandel im Handel – Wie gelingt die Chancengleichheit für den stationären Einzelhandel?
Angela PromitzerGeschätzte Lesedauer: 3 MinutenDer stationäre Einzelhandel steht durch kontinuierliche Abwanderung hin zum Online-Handel vor einer großen Herausforderung. Dabei sind Kundendaten der größte Wettbewerbsvorteil von Online-Shops. Neue digitale Entwicklungen bieten Potenziale, auch den stationären Handel bei der Planung, Überwachung und Steuerung des Kundenverhaltens zu unterstützen.
Die macht der Daten im Online-Handel
Seit 20 Jahren wächst der Online-Handel rasant und nimmt dem stationären Handel immer mehr Marktanteile ab. Alleine von 2018 auf 2019 konnte der Online-Handel seine Umsätze von 53 auf 59 Mrd. Euro steigern und sich einen Marktanteil von 11% am gesamten Einzelhandel sichern (1). Traditionelle, vor allem kleine und mittelständische, Einzelhändler stellt diese Entwicklung vor große Herausforderungen. Neben der Suche nach alternativen Vertriebswegen wie Online-Shops und Click&Collect, geht es auch darum die Digitalisierung auf der Ladenfläche voranzutreiben und so wettbewerbsfähig zu bleiben. Dazu können sogenannte In-Store-Technologien integriert werden, um neue Services anzubieten und die internen Prozesse zu optimieren (2).
Der Online-Handel hat im Vergleich zum stationären Handel den Vorteil, dass er sehr einfach Informationen über seine Kundschaft sammeln kann. Dazu zählen beispielsweise die Rechnungshöhe, die Anzahl der gekauften Produkte, und die Verweildauer bei Produkten (3). Durch diese Informationen können Online-Shops ein viel detaillierteres Profil ihrer Kund:innen erstellen als der stationäre Handel. Dieses Profil kann für Produktempfehlungen verwendet werden, die auf Amazon bereits für 35% aller Käufe verantwortlich sind (4). Kundenspezifische Produktempfehlungen können im stationären Einzelhandel nur über persönliche Beratung ausgesprochen werden, was einen hohen Personalaufwand fordert.
Digitalisierung mit In-Store-Technologien
Um das Kundenverständnis auf dem Shop-Floor auf einem ähnlichen Niveau wie im Online-Handel zu messen, gibt es am Markt immer bessere In-Store-Technologien zur Kundenanalyse. Ein solcher Ansatz basiert auf der Nutzung von WLAN oder Bluetooth am Smartphone, das nahezu alle Kundschaft bei sich trägt. Beide Technologien haben den entscheidenden Nachteil, dass nicht alle Kund:innen erfasst werden, da je nach Methode entweder die WLAN-Funktion eingeschaltet oder eine spezielle App installiert werden muss. Durch diese Hürden ist eine lückenlose Erfassung nicht gewährleistet.
Eine lückenlosere Datenerfassung bietet beispielsweise ein Kamera-basiertes Tracking-Verfahren, wie die CIRA-Technologie, die am August-Wilhelm Scheer Institut entwickelt wird. Mit Hilfe von marktüblichen Kamera-Systemen wird der gesamte Ladenbereich erfasst. Auf den Kamerabildern werden anonymisiert und datenschutzkonform Personen detektiert (Abbildung 1) und die Bewegungspfade von Kund:innen mit Hilfe von KI-Methoden extrahiert.
Dabei ist vor allem die Kombination der Bilder aus mehreren Kameras ein essentieller Baustein des Systems, um eine durchgehende Kundenerfassung auf der gesamten Ladenfläche zu ermöglichen.
Diese Kundenpfade bilden die Basis für zahlreiche Analysen, die dem Verkaufsleiter oder auch den Mitarbeitenden auf einem Dashboard zur Verfügung gestellt werden können (Abbildung 2). Die Verweildauer der Kundschaft in einzelnen Abteilungen kann eine schlecht besuchte Abteilung aufzeigen, die daraufhin attraktiver gestaltet werden kann. Die aggregierten Laufwege der Kund:innen zeigen Potenzial für die bestmögliche Platzierung von Artikeln, um von vielen Kund:innen bemerkt zu werden. Auf diese Weise können auch Ladenhüter durch die gesteigerte Aufmerksamkeit mit geringeren Preisnachlässen verkauft werden. Im optimalen Fall sollten diese Lösungen intelligent mit dem Backend und Warenwirtschaftssystem des Händlers verknüpft sein, um das Potenzial im Einklang mit gängigen Kundenanalysen nutzen.
Podcast: Mehr Kundenwissen für den stationären Handel
Der Online-Handel hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber den stationären Shops: viel Wissen über die Kund:innen. Was können Händler:innen tun, um mehr über das Kundenverhalten zu erfahren und passgenauere und individuelle Angebote zu machen? Darum geht es im neuen Handelkompetent-Podcast. Angela Promitzer vom August-Wilhelm-Scheer-Institut stellt im Gespräch mit Projektleiterin Marilyn Repp eine KI-Lösung vor, die viel Wissen für die Fläche bringt.
Fazit
Die aktuelle Forschung und die vielen Anwendungsbeispiele zeigen, wie der stationäre Handel durch Digitalisierung konkurrenzfähig bleiben kann. Neben dem Angebot regionaler und nachhaltiger Produkte, neuer Vertriebswege sowie Omni-Channel-Ansätzen spielt der zunehmende Einsatz intelligenter In-Store-Technologien die wesentliche Rolle auf dem Weg zum Wandel im Handel.
Digitization Professional
August-Wilhelm Scheer Institut
für digitale Produkte und Prozesse gGmbH